Höchste Strafe
Das Viertel, in dem sich - abgegrenzt durch die Mollstraße im Süden und Südwesten, die Friedenstraße im Norden und die in diesem Abschnitt wirklich lebensfeindliche Otto-Braun-Straße im Westen - Höchste Straße, Barnim-, Wein-, Büsching- und Georgenkirchstraße befinden, ist der westlichste Zipfel Friedrichshains. Weit entfernt von Frankfurter Tor, Warschauer Straße, Oberbaumbrücke, East-Side-Gallery, Simon-Dach-Straße, RAW-Gelände, Ostkreuz, Rigaer Straße und was sonst noch als „typisch Friedrichshain“ gelten könnte. Wenn überhaupt, hatte ich die Gegend bisher vom Volkspark, also der Friedenstraße aus wahrgenommen. Dort stehen, bis auf einen Zehngeschosser, nur traditionelle Mietskasernen, und ich hatte angenommen, die ganze Gegend bestünde aus dieser in Berlin häufigen (und längst begehrten) Altbau-Bebauung. Zumal wenige Meter weiter der für seine Altbauten bekannte Bezirk Prenzlauer Berg beginnt. Aber es ist vielmehr so, dass lediglich an jenem nördlichen Rand des Viertels diese Altbauten stehen, und sich hinter diesen ein komplettes DDR-Neubau-Viertel mit Plattenbauten befindet. Vor einigen Jahren hatte ich anlässlich einer Stolperstein-Verlegung über jüdisches Leben in Friedrichshain recherchiert; eine Ballung von jüdischen Haushalten hatte es - bis zum erzwungenen Exodus bzw. der Ermordung dieser Bewohner durch die Nazis - hier gegeben. Die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg werden für diese Gegend "besonders stark" genannt, darauf seien in den 1960er Jahren umfangreiche Abrisse gefolgt.
An einem Zugang von Norden aus erwartet einen gleich die „DDR-Speisegaststätte PILA“ in der Weinstraße, wobei „PILA“ offensichtlich die Abkürzung für „Pionierlager“ sein soll und sich das Lokal „und DDR-Museum“ angeblich schon seit 2006 hält. Ich finde ja skurile Orte interessant, aber nach kurzer Beschau von außen beschloss ich, dass ich mir das nicht von innen ansehen muss; in Erwartung von Enge und (unter-?) durchschnittlichem Essen. (Es lohnt sich, sich die Online-Bewertungen anzusehen, auch wenn diese im Ganzen deutlich positiver ausfallen als von mir erwartet). Auf dem Weg zur Barnimstraße kam ich durch den westlichen Teil der „Höchsten“ zur Georgenkirchstraße, wo mich das abgewrackt wirkende Schild des Restaurants „Bamboo's Hut“ anlächelte und ich kurz darauf – unerwartet - auf einen Kaiser’s stieß. Das ist das Gute eines Plattenbau-Viertels, in dem viele Menschen leben: es gibt Einkaufsmöglichkeiten. Die Barnimstraße liegt – wie erwartet – natürlich nicht höher als die „Höchste“, wie es in einem Beitrag hieß. Entweder diese Information ist schlicht falsch, oder es hieß früher womöglich eine andere Straße Barnimstraße? Dagegen spricht jedoch, dass es in der heute existenten Barnimstraße eine Grünfläche gibt, an der auf das seit 1864 dort befindliche, 1974 geschleifte Frauengefängnis Barnimstraße hingewiesen wird. Auf einem Foto auf jener Website ist zu erahnen, dass die Gegend früher von Mietskasernen geprägt sein muss.
Da ein skuriler, wellenförmig angelegter, sicher einige hundert Meter langer, "Schlange" genannter Plattenbau die Gegend gegen Osten und Südosten komplett abschirmt, führte mich mein Weg über die Büschingstraße nach Norden zurück in Richtung Platz der Vereinten Nationen. Früher Leninplatz. Aber diesen packe ich jetzt nicht auch noch in diese Tour mit ein. Auf der leider noch nicht das Rätsel um die „Höchste Straße“ geklärt werden konnte…
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