Tuesday, December 29, 2020
Sunday, December 27, 2020
Friday, December 25, 2020
Wedding Nettelbeckplatz
Ich staune jedes Mal, was für ein extrem unwirtlicher Ort
der Vorplatz vor dem S- und U-Bhf Wedding ist. Wo die Lynar- auf die
Müllerstraße stößt und auf der anderen Seite die Schildower in die Müllerstraße.
Dauerbaustellen, Verkehr, ewiges Warten auf die Fußgängerampeln. Nur über diese
kann man auch als Radfahrer die Müllerstraße an dieser Stelle überqueren. Es
nervt.
Heute bin ich aber zu Fuß unterwegs und laufe einfach drauf los. Die Schildower
Straße und der Nettelbeckplatz sind für mich sonst nur Durchfahrtstationen,
wenn es in Richtung Humboldthain oder Prenzlauer Berg geht. Heute habe ich die Zeit,
in aller Ruhe darüber zu laufen und auch mal stehen zu bleiben. Es sind nur
wenige kleine Menschen-gruppen über den Platz verteilt. Der Imbiss an der Ecke
hat geschlossen; es wirkt fast so, als sei es für immer. Dafür haben direkt
daneben – trotz Feiertags – zwei Spätis offen. Der Nettelbeckplatz hat schon
Atmosphäre, aber er hat auch was Schäbbiges, vor allem wohl wegen der teils
heruntergekommenen Gebäude und Geschäfte um ihn herum. Beim Einbiegen nach
Westen in die Gerichtstraße aber Verwunderung: „DA“, irgendwas mit „Appartements“.
Ein superneuer, superschicker Neubau. Es fällt schwer, dieses Haus und diesen
Platz zusammenzubringen.
Wenige Meter weiter steht das ehemalige Post-Gebäude. Es ist noch das Schild
für Großeinlieferer und Postfächer zu sehen. Und der ehemalige Schriftzug „Postamt“
zu erkennen. Seit wann ist sie nicht mehr in Betrieb? Schräg gegenüber davon
liegt in einem ehemaligen Krematorium das „Silent Green“, ein inzwischen schicker
Ort für Kulturschaffende. Einige
Schritte weiter geht es über eine große Grünfläche, den Max-Josef-Metzger-Platz,
zurück zur Müllerstraße. Von hier aus sieht diese sonst so furchtbare Straße ganz
akzeptabel aus, wie jede andere. Kurzentschlossen biege ich die Ruheplatzstraße
ein, die ihren Namen vom benachbarten Krematorium bzw. dem Urnenfriedhof
bekommen hat.
Die nächste Straße ist die Antonstraße; ich weiß zunächst nicht richtig, wo ich
bin, begreife dann aber, dass es südwestlich nun zu Karstadt gehen würde. In
der anderen Richtung ist am Ende der Straße ein breites Haus zu erkennen und
ich gehe in der Vermutung darauf zu, dass das die große Reinickendorfer Straße sein
wird. Unterwegs komme ich an einem
wirklich stimmungsvollen, unter anderem durch Spielplätze genutzten Brachgelände
vorbei, das in dieser Form auch im Prenzlauer Berg stehen könnte. Ich lande
schließlich nicht auf der Reinickendorfer, sondern auf der deutlich kleineren
Maxstraße. Nun weiß ich sogar, wo ich bin, denn vorn an der nächsten Ecke erkenne
ich das linke / autonome Hausprojekt Schererstraße 8,
in dem ich wohl im Herbst 2019 erstmals bei einem Konzert der richtig guten
französischen Band Bronco Libre
gewesen bin. Zwischen den vielen Plakaten und Flyern an der Außenwand des
Hauses ist ein Plakat zu erkennen, das erklärt, dass auch die Metzgerei, die
früher in jenem Haus war, bei der Weddinger Fleischrevolte
von 1912 geplündert wurde. Die Kacheln der ehemaligen Metzgerei sind
übrigens im Innenraum erhalten und geben diesem einen besonderen, wenn auch
etwas kühlen Charme.
An jener Straßenecke treffen sich die Max-, die Scherer und noch eine dritte Straße.
Welch Ironie! Diesen Mai bin ich erstmals nach sehr langer Zeit am Sowjetischen
Ehrenmal Schönholzer Heide in Pankow gewesen und habe mich sehr daran
erfreut zu sehen, dass ausgerechnet vor jenem großen Gelände die „Germanenstraße“ verläuft. Das Straßenschild
stammt noch aus der DDR-Zeit und zeugt davon, dass sie damals schon jenen Namen
getragen haben muss. Die DDR es demnach nicht fertig gebracht oder es für nötig
gehalten hat, der Straße einen anderen Namen zu geben.
Hier, direkt vor dem Hausprojekt
Schererstraße, beginnt tatsächlich einer der drei Adolfstraßen Berlins. Alle
Straßenschilder sind auf verschiedene Weisen symbolisch abgeklebt.
Die Adolfstraße führt hinter den Mauern des ehemaligen Krematoriums vorüber und
endet an der Ruine des ehemaligen Postamts.
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Tuesday, December 15, 2020
Zeitung Zigaretten in Friedenau
Labels: Berlin, Vanishing Berlin
Thursday, December 10, 2020
"Ein bisschen RUHE braucht jeder!"
Labels: Berlin, Sicherer Hafen
Tuesday, December 08, 2020
Siemensbahn (2): "Manou's Schlemmerstube"
Völlig absurd erscheint mir die Vorstellung, dass der Hochbahn-Teil der Siemensbahn - im Bild zu sehen ist ein Abzweig vom Popitzweg nahe U-Bhf Siemensdamm - inzwischen seit 40 Jahren völlig ungenutzt und sinnlos in der Landschaft herumsteht und den Blick verstellt. Aber es ist nicht nur Vorstellung, es ist Realität. Realität im Bezirk Siemensstadt, der einen eher rauhen Charme hat. Aber eben nicht "kultig" rauh wie Kreuzberg oder Neukölln, sondern eher rauh im Sinne von am Rande und fast vergessen. "Manou's Schlemmerstube" steht da möglicherweise stellvertretend für diesen rauhen Charme. Gewiss kein Gourmet-Tempel, und Vegan-vegetarisches ist dort eher nicht zu bekommen. Die Betreiberin empfing uns aber sehr geduldig und freundlich; mitgehörte Gespräche mit den Stammgästen am Eck verbreiteten ein wohliges Gefühl von Vertrautheit und Solidarität untereinander.
Interessant (und nicht groß verwunderlich), dass es "Manou's Schlemmerstube" offenbar schon 2004 in einem ganz ähnlichen Zustand gab: www.stadtschnellbahn-berlin.de.
Und anbei die ausliegende Speisekarte, eigentlich viel zu klein auf A5-Größe ausgedruckt. Dabei fällt mir erstmals auf, dass da anders als auf dem Schild "Manou's Schlemmerbude" und nicht "Manou's Schlemmerstube" wie auf dem Schild steht.
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Siemensbahn (1): Auf dem Bahndamm bis Gartenfeld
Auf die Siemensbahn bin ich wohl durch Zeitungs- und Fernsehberichte über deren geplante Wiedereröffnung aufmerksam geworden. Zunächst hieß es, das solle bis 2025 geschehen, inzwischen ist die Rede von 2029. Ehe es mit Sanierungsarbeiten losgeht, wollte ich mir diese nochmal im verwahrlosten Zustand ansehen. Erste Besuche machte ich im April diesen Jahres; wie das in Berlin zum Glück üblich ist, fanden sich an mindestens zwei Stellen Löcher im Zaun, durch die sich dann auf den Bahndamm hinaufsteigen ließ. Ich ging jeweils das bewachsene Stück in nordwestliche Richtung. Das Teilstück in Richtung Süden, das über eine Hochbahn führt, habe ich mir bisher nur von unten her angesehen, wobei ich mir auch vorstelle, dass das oben nicht zugänglich ist. Gleiches dürfte auch für den ehemaligen Bahnhof Wernerwerke gelten, der direkt am vielbefahrenen Siemensdamm liegt.
Die Siemensbahn ist eine stillgelegte S-Bahn-Strecke mit insgesamt vier Stationen zwischen Jungfernheide und Gartenfeld, die zwischen 1927 und 1929 in Eigenregie der Firma Siemens & Halke erbaut worden ist und bis 1980 existierte. Infolge des Reichsbahnerstreiks im September 1980 wurde sie eingestellt, nie wieder in Betrieb genommen und weite Teile der Strecke wurden seitdem weitgehend sich selbst überlassen. Zum Jahr 2029 ist eine Wiederinbetriebnahme sowie eine Verlängerung bis nach Hakenfelde geplant. Anlass dafür sind geplante oder bereits entstandene neue Wohngebiete in Gartenfeld und im Norden Spandaus, dazu plant Siemens einen Technologiepark in Siemensstadt. Warum die Wiedereröffnung nun auf so einen langen Zeitraum hin ausgerichtet ist, erschließt sich mir nicht wirklich, auch wenn es aktuell keine Verbindung mehr vom S-Bhf Jungfernheide zur Strecke gibt und ein neues Viadukt über die Spree gebaut werden muss.
Aber: ich beschwere mich nicht darüber. Denn es ist wirklich spektakulär, was zu sehen ist. Und so ist ausgiebig Zeit, sich die Trasse noch mehrmals im jetzigen Zustand anzusehen. Die Gleiskörper sind an manchen Stellen zwar freigeräumt, aber eben nur an manchen Stellen; anderswo wildern Bäume und Sträucher vor sich hin. Sehenswert natürlich insbesondere auch der ehemalige Bahnhof Siemensstadt, der offensichtlich auch gern von Sprayern besucht wird. Insgesamt ist zwar wenig Betrieb auf den Gleisen, und auch die Anwohner*innen sind es ganz offensichtlich gewohnt, dass da hin und wieder jemand über die ehemalige Bahnstrecke läuft. Ganz alleine war ich bisher aber noch nie dort, es begegneten mir teils Pärchen, teils spielende Kinder, bereits erwähnte Sprayer sowie andere, die wie ich an "Lost Places" ihre besondere Freude haben.
Bei den ersten beiden Besuchen bin ich jeweils nicht weit über den ehemaligen Bahnhof Siemensstadt hinausgekommen. Diesmal sollte es weiter gehen, möglichst bis zum ehemaligen Endbahnhof Gartenstadt, in dem bis 2012 eine Gärtnerei untergekommen war. Markant an jenem Stück ist, dass an manchen Stellen die Gleise völlig entnommen wurden, während an anderen Stellen bis zu sechs Gleise parallel noch enthalten sind. Spektakulär auch ein altes Stellwerk, das begehbar ist - in aller Vorsicht, versteht sich, und legal ist das alles natürlich auch nicht - ehe am Ende der Strecke der ehemalige Endbahnhof Gartenfeld steht, in dessen verschiedenen Bereichen noch Überreste der Gärtnerei zu finden sind.
Es gibt - neben der Wikipedia-Seite, die regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht wird - mindestens drei sehr empfehlenswerte Websites mit mehr Informationen und vor allem auch teils sehr guten Fotos (und einem Film) zur Siemensbahn. Auf www.stadtschnellbahn-berlin.de werden historische Informationen und Fotos von 1930 über 1979 bis 2005 zusammengestellt. Von dort gibt es einen link zur Seite www.stadtschnellbahn-berlin.de/spaziergang, auf der Thomas Krickstein in neun Unterkapiteln sehr interessante Fotos von sechs Spaziergängen aus dem Juli 2004 gesammelt hat. Sehr interessant unter anderem, dass manche Teile der Strecke 2004 offensichtlich verwilderter waren als heutzutage, andere hingegen (vor allem das Stellwerk!) noch in einem deutlich besseren Zustand da standen. Auf www.blocksignal.de hat Steffen Böhr 138 Fotos von einem Spaziergang auf der Siemensbahn im März 2015 veröffentlicht.
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