Ich habe FLIEHENDE STÜRME zu meiner Stuttgart-Zeit nie live
gesehen, ich habe sie generell nie groß mitgekriegt oder beachtet, immer nur
eine Platte, „
Priesthill“, in diversen Plattenläden stehen sehen. Bis gestern
habe ich sie – obwohl daher stammend und Nachfolger der berühmten
Chaos Z – nie
als Stuttgarter Band wahrgenommen. Bis ich eben gestern vor und während des
Konzerts im SO 36 verschiedene alte Bekannte aus Stuttgart wiedertraf. Und
realisierte, dass ich sogar einen kenne, der mittlerweile – und nicht erst seit
gestern - bei denen mitspielt. Das waren sehr schöne Wiedersehen, nach
teilweise 20 Jahren „no see“. (Ähnlich wie bei der Ausstellungs-Eröffnung zu
Punk in Stuttgart 2017.) Insgesamt war ihr Auftritt aber schon sowas wie eine
Geduldsprobe für mich. Gleich der erste Song, unglaublich schwer, langsam,
düster. „Was ein stimmungsvoller Opener“, unkte ich zu meinem Nebenmann. Der
folgende Song war dann schwungvoller, und das war sicher auch bewusst so choreografiert.
Ich habe wirklich Respekt davor, wenn eine Band über 20 Jahre ihren Stil
durchzieht – ihr erstes Album ist von 1988! – und wie Sänger und Gitarrist
Andreas Löhr auf der Bühne steht. Auch hat diese Band ihr Publikum, das
offensichtlich auch zufrieden war. Dieser düstere Wave-Punk ist nur leider
überhaupt nicht meine Musik.
Den Abend hatten KLOTZS begonnen, eine Band aus Siegen, deren Namen ich nie zuvor gehört
hatte, obwohl sie laut
Discogs bereits 1996 aktiv sind und mal eine Split-7" mit EA 80 veröffentlicht hatten. Der erste Eindruck war auch eher schräg, aber das war wohl durchaus auch
so gewollt. Die beiden älteren Herren – nur Gitarre und Schlagzeug – spielten schon
Punk, der in die EA 80-Richtung geht, hatten aber zwischendrin auch immer
wieder andere, experimentellere und uneingängige Elemente. Und gerade der
Sänger eine Attitude, die „Mut zur Peinlichkeit“ ausdrückte. Das passte, das
war irgendwie erfrischend gut!
Waren die Reihen bei KLOTZS noch sehr überschaubar besetzt gewesen, war es
spätestens beim heutigen Haupt-Act – beim Konzert vor dreieinhalb Jahren,
hier mein Bericht, war die Reihenfolge eine andere gewesen - RAZZIA rappelvoll.
Verglichen mit Fliehende Stürme merkte ich sofort, dass DAS meine Musik ist,
mit Texten, die ich auch heute noch ohne Schmerz und Pein hören und mitsingen
kann. Razzia haben eine Spur Melancholie, gehen aber dennoch nach vorne, mit
der geilen charakteristischen Gitarre und dem knalligen Gesang. Das war gut, das
hat Spaß gemacht. Auch wenn es ein paar Abzüge in der B-Note zu vergeben gibt. Es kam mir fast vor, als sei es das
erste Konzert nach längerer Pause gewesen: teils wurden ein paar Einsätze
verpasst und wenn man ganz vorne stand, sah man, dass der Sänger teils die Texte
der neuen Lieder nachlas. Zwischen den Songs gab es manchmal abtörnend lange Pausen.
Es klingt schräg, das bei einer Band, die seit 1979 aktiv ist und hier weitgehend in
Original-Besetzung auftrat, zu sagen: aber das waren lauter so vermeidbare
kleine Fehler, die sich mit etwas mehr Übung schnell erledigt haben dürften. Im
ganzen war es aber sehr gut gespielt, und auch die zahlreich gespielten neuen
Songs – was ja durchaus mutig ist, viele kamen sicher vor allem, um die alten
Songs zu hören -
passten sich sehr gut
ins Programm ein, klangen typisch nach Razzia, wie man sie liebt, und
bestärkten zumindest mich, sich das neue Album im Anschluss mitzunehmen.
Am Tresen gab es übrigens ein Band-Bier zu kaufen. Für Razzia, und laut
Website
nur für das Konzert in Berlin, wurden von einer offenbar befreundeten Brauerei
240 Flaschen Razzia-Bier abgefüllt, ein dunkles Lager-Bier. Da ich eh Bier
trinken wollte, habe ich eines probiert. Ein Bier, wie Schwarzbier – Köstritzer
oder Ähnliches - eben so schmeckt. Nichts Besonderes. Vielleicht gelingt ja
irgendjemandem noch, mehr Infos zum Hintergrund dieser Aktion zutage zu
fördern, würden mich interessieren.
Eine interessante Zusammenfassung der Band-geschichte ist übrigens zu finden auf:
https://razzia.info
Sehr toll auch die vier Songs, die Olli Schulz unter dem Titel "
Ausflug mit Razzia", auf 7" veröffentlicht hat; Cover-versionen von "Kaiserwetter", "Sentimentaler Zusammenbruch", "Nacht im Ghetto" und dem immer wieder großartigen "
Als Haus wärst du ne Hütte".