Ein Führungszeugnis wurde gebraucht. Man sollte denken, das sei eine
reine Formalität, die es bei der nächstgelegenen Behörde zu erledigen gibt.
Anfang August wird der berlinweit nächste freie Termin für diese Dienstleistung
allerdings für den 10. Oktober (Bürgeramt Reinickendorf) angegeben. Remember
Klaus Wowereit: „Sparen, dass es quietscht!“. Bis Oktober wird sich der designierte künftige Arbeitgeber
aber sicher nicht gedulden. So musste eine andere Lösung her. Auf den
Informationsseiten im Internet ist von einer Online-Abwicklung die Rede, für
die allerdings ein spezielles Kartenlesegerät gebraucht wird. Das wiederum
mindestens 35 € kostet, wobei die, die halbwegs (!) gute Bewertungen erhalten haben,
erst bei 80 € starten. Und es bleibt ein Rest-Risiko, dass es dann immer noch
nicht funktioniert. (Die letzte lebendige Debatte zu jenen Kartenlesegeräten scheint es übrigens im Jahre 2011 gegeben haben. Seither sind diese offenbar kein bedeutendes Thema mehr gewesen.)
Es darf nicht wahr sein, dass eine gute Job-Möglichkeit am Berliner Bürokratie-Drachen scheitert. So versuche ich das Letzte und stelle ich mich an einem freien Tag früh morgens in die
Schlange beim Bürgeramt, ohne Termin. Ohne sicher zu sein, dass ich ohne
Voranmeldung vorsprechen kann. An einem der Aufzüge steht: „defekt“. Der Hausmeister
klebt gerade an den Passfotoautomat ebenfalls das Schild „defekt“. Ich erwarte
eine Abfuhr, und dass ich heim geschickt werde, weil ich ohne Termin erschienen bin. Für diesen
Fall wünsche ich mir die feste Entschlossenheit in der Verteidigung meiner
Rechte herbei, wie ich sie in der Woche zuvor zweimal auf Arbeit gezeigt hatte.
Aber der „Wilhelm“, der „Untertan“ in mir fühlt sich bei der Vorsprache bei
einer Behörde immer besonders klein. Woher ich dieses Bild auch immer habe, es ist die
Erwartung einer zynischen Behörde, die mich in der Hand hat und mir mit Verweis
auf ihre Bestimmungen oder Launen (oder auch einfach grundlos!) alles
verweigern kann, auch wenn ich es dringend brauche.
Aber es geht schrittweise voran. Und als ich nach knapp einer Stunde Wartezeit
bei der Terminvergabe eintreten kann, jubelt es zum ersten Mal in mir, denn ich
erkenne eine couragierte Mitarbeiterin wieder, die mich schon beim letzten
Amtsbesuch sehr umgänglich betreut hatte.
Ich verlasse ihr Zimmer mit der
Wartenummer „11“ und begebe mich in den Warteraum im ersten O.G. Das erste Etappenziel ist erreicht!
Mist, vor lauter Gedanken habe ich die Zeitung im
Briefkasten gelassen. Gibt es einen besseren Ort als Zeitung zu lesen, als den
Warteraum im Bürgeramt? Aber nochmal „Mist!“, denn ich merke erst mit einigen
Minuten Verspätung, dass ich die etwas wirre Anzeige der Wartenummern zunächst nicht
richtig verstanden hatte. Sie besteht aus zwei Spalten mit je fünf Zeilen.
Links die Wartenummern, rechts die Zimmernummern. Terminkunden haben ganz
offenbar Vorrang, sie haben sechsstellige Nummern. Bei einem dunkelhäutigen Paar sehe ich gar
eine achtstellige Wartenummer. Einen kurzen Gedanken an eine mögliche
Diskriminierung schiebe ich aber weg. Gerade war noch als einzige einstellige
Nummer die „8“ zu sehen. Nun wurde allerdings die „12“ aufgerufen, was mich mit
meiner „11“ doch etwas dumm aus der Wäsche gucken lässt. Es wäre wirklich,
wirklich schlimm, wenn ich vor lauter Tran und Gedanken den Aufruf meiner
Nummer verpasst hätte! So kurz vor dem Ziel doch noch ein Scheitern? Ich
beruhige mich etwas damit, dass ich auch vom Zollamt gewohnt bin, dass aus
internen Gründen die Nummern nicht immer ganz der Reihe nach aufgerufen werden.
Und die Nummern springen wirklich herum wie wahnsinnig. Zeitgleich werden inzwischen
die „9“ und die „19“ angezeigt. Immer noch die unterschwellige Angst, meine
Nummer verpasst zu haben. Und Ärger über die vergessene Zeitung. Aber wenn
diese Hürde überwunden wäre, dann wäre alles geschafft, was in meiner
Macht steht. Dann könnte ich nur noch abwarten. Die vor Jahren festgestellte
Allergie kann noch dazwischen stehen. Und das eingestellte Zoll-Verfahren von vor einigen Jahren. Aber die Anwältin
hatte versprochen,…
Der schrille
Signalton ertönt und es wird tatsächlich die „11“ angezeigt! Hektischst packe ich meine
Sachen zusammen und stürme die Treppen einen Stock höher. Mit der nunmehr
festen Zuversicht, es nun wirklich geschafft zu haben, trete ich in das Büro
einer freundlichen Dame, die mit mir noch nett über das Wetter plaudert und mir
ein schönes Wochenende wünscht.
„E-e-ebenfalls, danke“, und mir geht das Herz über, dass dieser schlichte Verwaltungsakt, der aber so wichtig für meine Zukunft sein kann, wider Erwarten geschafft ist!
Als ich unten in der Passage noch ganz atemlos und voller Glück zuhause anrufe, erblicke ich gegenüber die
passende Anzeige „Erfolge feiern – Jubel Jubel Jubel!“. Genau das tue ich jetze,
und gönne mir im Edeka ein paar teurere Lebensmittel als sonst...
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