Bei der Besprechung dieses Buches heißt es für
mich, vorsichtig zu sein. Denn: mir liegen einige flapsig-spöttische
Bewertungen dazu auf der Zunge, die ich sicher auch anbringen werde, aber sie
sollen nicht dominieren, denn im Ganzen ist es durchaus ein interessantes und
kein schlechtes Buch. Das tschechische Original ist 1954 erschienen, ab 1957
folgte eine deutschsprachige Ausgabe in der DDR, die es heute antiquarisch sehr
günstig zu erstehen gibt. (Um nicht zu sagen: es wird einem ab 1 €
nachgeschmissen…) 1957/58 erschien ein Film mit demselben Namen, aber mit
einigen Veränderungen, gedreht in Kooperation von Tschechischem Staatsfilm und
DEFA (siehe:
www.zeit.de).
Karel Ptáčník, selbst im Jahr 1921 geboren, später am „Prager Frühling“
beteiligt, beschreibt in diesem Roman aus eigener Erfahrung den Werdegang einer
Gruppe tschechischer Zwangsarbeiter, die ab 1942 im Deutschen Reich eingesetzt
werden. Sie untersteht direkt einem Wehrmachtskommando und wird vor allem zur
Behebung von Bombenschäden eingesetzt, das heißt zum Abriss von Ruinen und zum
Wiederaufbau von Gebäuden und Straßen. Die erste Station ist Baumholder in
Rheinland-Pfalz, später werden sie ins Saarland, dann nach Essen, Kassel und
schließlich nach Zeitz bei Leipzig verlegt. Es ist eine Gruppe von einigen
hundert Tschechen, in der Regel alle geboren im Jahr 1921. Im Mittelpunkt
stehen die Männer namens Honsik, Karel, Mirek, Pepousch und Kowanda, wobei letzterer
älter ist als alle anderen, sein Alter wird mit Mitte 40 angegeben.
Um den Teil mit dem flapsig-spöttischen Zungenschlag anzubringen: es handelt
sich – womöglich durch eine Glättung durch die Übersetzung? -
sicher um keine große Literatur. Die Gruppe
der tschechischen Zwangsarbeiter durchlebt ähnlich wie in einem Karl May-Roman
„Abenteuer“, eine Assoziation, die kurz vor Ende des Textes bestärkt wird, als
auf einem Evakuierungsmarsch davon die Rede ist, „da traf ihn die Faust“.
Gemeint ist in jenem Fall allerdings nicht die von Old Shatterhand, sondern die
eines Tschechen, die einen Gefreiten der Wehrmacht trifft.
Die auftretenden „Kameraden“, wie sie sich selbst nennen, positionieren sich
als landsmannschaftliche Einheit und bleiben in ihren internen Gesprächen klar
gegen die Wehrmacht und das Nazi-Regime eingestellt. Sie nehmen ihre Lage im
Ganzen eher locker, lassen sich zwar auf die Zwangsarbeit ein, nehmen sich aber
so gut es geht ihre Freiheiten und überarbeiten sich allem Anschein nach nicht.
Hierbei ist insbesondere immer Kowanda derjenige, der die jüngeren zur
Gelassenheit und gepflegten Sabotage ermuntert. Diese Lässigkeit im Ton führt
dazu, dass das Buch einen leicht humorvollen, fast schon harmlosen Unterton
behält, und das, obwohl es vor dem ernsten Hintergrund des Zweiten Weltkrieges
und der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus spielt. Und obwohl diese ernsten
Erlebnisse auch immer wieder geschildert werden, sei es bei Luftangriffen, sei
es bei Aufräumarbeiten. Einige der Kameraden werden verwundet, verbringen
längere Zeit im Krankenhaus, einige sterben gar. Auch hat die Gruppe einen
„Verräter“ zu beklagen, einen Kameraden, der vom Wehrmachtskommandanten zum
Sprecher ernannt wird, und der sich zunehmend auf die Seite der Macht stellt.
Dennoch bleibt die Truppe in ihren Unterhaltungen relativ locker – man fragt
sich, ob das eben der tschechische Charakter ist, oder ob dieser Ton durch die Hoffnung
darauf gespeist wurde, dass das Deutsche Reich nicht ewig besteht und die
Zwangsarbeiter eines Tages freikommen. Soviel zu den irritierenden Punkten.
Dem Buch ist insbesondere zugute zu halten, dass
es historische Tatsachen weitgehend korrekt wiedergibt und es keinerlei Anlass
gibt, seinen grundlegenden Aussagen zu widersprechen. So nennt es gleich zu
Anfang (S. 14/15) die besondere Stellung der Tschechen unter den
Zwangsarbeitern, die mit der Situation der aus Polen und der Sowjetunion, die
weitestgehend wie Sklavenarbeiter behandelt wurden, nicht zu vergleichen war.
Später folgen bedauernde Einschätzungen von „Kameraden“ zu ukrainischen
Zwangsarbeitern, die in einem Nachbarkommando arbeiten, und in einer Situation
überbringt Honsik heimlich des Nachts Essensrationen an benachbarte serbische
Zwangsarbeiter.
Auch die Visionen nach einer Niederlage des Deutschen Reiches werden
differenziert dargestellt. Sicher ist Honsik, der mit zunehmendem Verlauf des
Buches zur Hauptfigur aufgebaut wird, überzeugter Kommunist und entwirft das
Ideal einer zukünftigen kommunistischen Gesellschaft, was bei einem
tschechischen, von einem DDR-Verlag übersetzten Buch nicht verwundert.
Allerdings werden von anderen „Kameraden“ auch pro-westliche,
Kommunismus-kritische Positionen geäußert, das heißt, es ist keineswegs ein
Buch, das übermäßig Propaganda betreiben würde. Der Ton gegenüber den Deutschen
ist - eventuell geprägt durch den direkten Kontakt zu Menschen, die durch
Bombenangriffe Leid erfahren haben – überraschend differenziert und
verständigungsbereit. Inwieweit dabei Propaganda mit im Spiel war
(Verständigung CSSR-DDR?), kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen.
„Jahrgang 21“ gewährt somit überwiegend glaubhafte
Einblicke in das Leben von tschechischen Zwangsarbeitern zur NS-Zeit, die
direkt der Wehrmacht unterstanden, und weist auf viele interessante Details hin.
Interessierten am Schicksal von Tschechen, die Zwangsarbeit in der
Privatwirtschaft (meist in Rüstungsbetrieben) leisten mussten, wird damit jedoch
– das sollte dem Leser von Anfang an klar sein - nur am Rande geholfen.