Sunday, June 28, 2015

Muttersprachlerin

Uns gegenüber im Zug eine Frau etwas jünger als wir, in ihr Handy gewandtes Englisch sprechend. Es ging um Start-Ups, und um einen Job, für den sie offenbar noch nicht bezahlt worden ist. Mich wunderte bei Ihrem sehr guten, nach meinem Eindruck Akzent-freien Englisch einzig, dass sie so ziemlich kein Wort verwendete, das ich nicht kannte. Muttersprachlerin ja oder nein? Eine in Berlin Arbeitende aus dem Ausland, die sich nicht mehr die Mühe macht, Deutsch zu lernen, weil sie in ihrem Beruf eh nur Englisch braucht? Die Antwort kam mit der Schaffnerin.
"Wir brauchen noch eine Fahrkarte, an Beelitz-Heilstätten gab's keinen Automaten."

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Thursday, June 25, 2015

Neue Verwirrung um Gräber auf dem Freudenberg-Areal

Die Geschichte um das Freudenberg-Gelände an der Ecke Holtei-/ Boxhagener Straße in Friedrichshain wird immer verwirrender. Gestern machte mich ein Anwohner darauf aufmerksam, dass auf dem Gelände aktuell Gräber gefunden wurden, incl. Gerippe von verstorbenen Menschen. Aktuell sind auch deutlich Sichtschutz-Absperrungen zu sehen, und dahinter rechteckige Gruben.
Bei der Online-Recherche, ob es darüber Berichte gibt, sah ich nun, dass es bereits im Januar und Februar dieses Jahres Berichte - von der Ortsansässigen Bürgerinitiative , dem Anzeigenblatt Berliner Woche und dem Friedrichshain Blog - sowie archäologische Grabungen in dieser Richtung gab. Angeblich seien dort auch die Gräber der Familien Wühlisch und Sonntag gewesen - Namen, nach denen direkt benachbarte Straßen benannt wurden. Die BI weist dazu darauf hin, dass das Gelände noch in einem Stadtplan von 1960 (!) als Städtischer Friedhof ausgewiesen ist. Rätselhaft, warum das heutzutage, 55 Jahre später, angeblich niemand mehr gewusst hat.
Sind das nun weitere Gräber, die aktuell gefunden wurden?
Hier die offzielle Seite der Projektentwicklungsgesellschaft mit ihren Vorstellungen und Plänen.

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Monday, June 22, 2015

Floßfahrt auf der unteren Havel: Plaue - kurz vor Rathenow

Kleene Diashow unserer Fahrt, beginnend auf dem Plauer See, knapp 10 km entfernt von Brandenburg an der Havel. Die Havel ist ein Fluss, der nahe der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern entspringt, zunächst in südliche Richtung fließt, in Berlin u.a. den Wannsee bildet, von dort aus westlich über Potsdam und Brandenburg/Havel in den Plauer See fließt. Vom Plauer See aus wird der Fluß "Untere Havel" genannt und verläuft ab hier in nördliche Richtung, ehe sie kurz hinter Havelberg in die Elbe mündet. 
 Schloss Plaue, das offenbar recht lang wüst lag, in jüngster Zeit aber wieder bewirtschaftet ist. Zur besonderen Beachtung: die Konstruktion oberhalb des Balkons... ;-)
(Einmal auf's Bild klicken, macht es groß, zweimal klicken gar sehr groß!)

 Direkt nach dem Schloss: diese bemerkenswert schrottige Brücke, die allerdings nur noch für den Fahrradverkehr geöffnet ist.


Unsere erste Anlegestelle, mitten auf der Biegung, das störte aber offenbar niemanden der anderen Havel-Befahrer. Im Umkreis von Plaue war der Fluss noch recht befahren, mit zunehmender Entfernung ließ das aber immer weiter nach.

 Der Ort Pritzerbe am Havelsee von der Havel aus gesehen. Spätestens ab hier hatten wir den Fluss fast für uns alleine. Auch die Wassertemperatur von etwas über 21°C war sehr angenehm.
 Auf hoher See: yippieh - nur noch Enten und Weite um einen herum! Der Fluss ist auf dieser Höhe naturbelassen und hat zahlreiche kleine Arme. Durch sein minimales Gefälle ist er ideal für eine Floß-Tour.

Wunderschöne kleine Insel auf der offenen unteren Havel

 Ein Starkregen und zwei Gewitter ereilten uns. Störten auf dem Floß nicht groß, weil es zum Glück über ein dichtes Dach verfügte.
Eine Bucht kurz vor Rathenow, wie geschaffen zum Anlegen. Was bedeutet nur dieses Schild...?!

Am Tag darauf lasen wir, dass bei genanntem zweiten Gewittersturm ein 49-jähriger Mann, Besucher der Bundesgartenschau, in Rathenow ums Leben kam. Wir waren sehr nahe dran, sahen noch die eiskalten Hagelkörner beim Anlegen. Und wenn wir wirklich mittendrin gewesen wären, im Sturm auf dem Wasser... lieber nicht dran denken...

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Friday, June 19, 2015

Filme: "Der Prozeß Huppenkothen" und "KZ-Schergen: Sorge, Schubert Prozeß"

Vorhin zwei eindrucksvolle Filme im Zeughauskino gesehen über NS-Prozesse 1956 und 1959. Mitschnitte daraus, die damals gar in der ARD liefen und später als Dokumente zur politischen Bildung verwendet wurden.
Beides Dokumentarfilme, die ohne große Erklärungen widergeben, wie es war. Sowas von spannend, die Leute zu sehen: die Richter, Staatsanwälte, Anwälte, die Angeklagten, das (reichlich anwesende, vor allem ältere) Publikum, die Gerichtssäle. Skuril u.a., wie ein Richter sich Hinrichtungen im Detail erklären lässt und ein Beteiligter (der damals sicher unbehelligt geblieben ist, heute sähe das anders aus) mit starkem bayrischen Akzent zögerlich und mit reichlich Gedächtnislücken berichtet.
Beeindruckend ein Staatsanwalt, der die Nicht-Argumente und subtil antisemitischen Anschuldigungen des Verteidigers Dr. Alfred Seidl (auch Verteidiger von Rudolf Heß in Nürnberg, ab 1958 für die CSU im bayrischen Landtag, später kurz Innenminister in Bayern und 1977 für die Todesstrafe für RAF-Terroristen) engagiert kontert.
Die "KZ-Schergen" waren in Sachsenhausen eingesetzt, das habe ich nach meinem Besuch dort in diesem Jahr mit besonderem Interesse verfolgt, weil mir das gezeigte Gelände bekannt ist. Bemerkenswert, dass einer der beiden angeklagten Täter, der sich zuvor nie geäußert hatte, letztendlich alles zugibt und sein Bedauern ausdrückt. Schräg, wie ein tschechischer Arzt, der selbst Häftling war und Leichen sezieren musste, erzählt, auf welche verschiedenen Weisen Menschen umgebracht wurden und er mit Schmunzeln (!) bemerkt, dass er die wirklichen Todesursachen nie notieren durfte, sondern auf eine Liste von sieben Todesgründe zurückgreifen musste, die an eine Wand gepinnt war.  
Beides sehenswerte Filme, ohnehin gibt es sehr häufig sehenswerte Filme mit historischem Bezug im Zeughauskino, dem Kino im Gebäude des Deutschen Historischen Museums. Hier die Website, ich gucke aber immer, ein gedrucktes Quartalsprogramm ergattern zu können.

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Wednesday, June 03, 2015

Schlechte Lage (2)

Beim Gewerbe gegenüber sieht es überhaupt nicht besser aus - da ist nicht mal eine Straßenbahnhaltestelle vor der Tür... Zunächst war ein türkischer Imbiss dort, bei dem ich auch ab und an war und der Döner schmeckte auch ganz gut. Das ganze war aber nicht nur eine Imbissbude, sondern so groß wie ein richtiges Lokal. Das Lokal war natürlich (?) meistens leer, nur aus dem Raucherbereich quollen Rauchschwaden und Geräusche von Spielautomaten. Irgendwann wechselte der Betreiber. Nun war es ein asiatisches Lokal, das skurilerweise den Döner-Verkauf zunächst weiterführte. Mit einem Ergebnis, wie man es sich vorstellen kann. Einmal und nie wieder. Ich meine, diese Betreiber haben nichtmal ein halbes Jahr durchgehalten.
Dann folgte etwas ganz anderes - die Zoo-Handlung "Hoppel & Co."! Früher einige Ecken weiter beheimatet, bestand sie nun uns gegenüber. Ich erinnere mich noch daran, wie geschockt ich war, dass sie das total verstaubte Fassaden-Schild des alten Ladens einfach so, ohne es mal abzuwischen, an den neuen Laden schraubten. Aber auch da war nach rund einem halben Jahr Schluss. Das Sortiment war einfach genau das, was man auch in den großen Zoo-Handlungen zu kaufen kriegt. Nur dort zu deutlich billigeren Preisen. Über die Mauer wurde dort mal gesprochen. Ein Kunde hatte den damaligen Streit um die Bebauung der East-Side-Gallery angesprochen, worauf die Verkäuferin meinte, zu Mauer-Zeiten, also vor der Wende, sei es ihr besser gegangen. Sie habe nen guten Job gehabt und aus Reisen hätte sie sich noch nie viel gemacht. Da spitzt der Historiker ja immer sein Ohr.
Vom nun gefolgten italienischen Imbiss hatte ich nur die Umbau-Arbeiten mitgekriegt. Er hat wohl vor allem abends verkauft, es wirkte aber immer so, als sei der Laden nicht für jeden geöffnet, als sei dort permanent geschlossenen Gesellschaft angesagt gewesen. Jedenfalls war der Imbiss schneller geschlossen, als ich dazu gekommen wäre, ernsthaft zu erwägen, mal etwas dort zu essen. Und - mit Verlaub - die Gegend hätte einen guten Mittags-Imbiss wirklich nötig!
Das nächste war eine Cocktail-Bar: wieder fette Umbau-Maßnahmen, riesige Leucht-Schilder draußen. Aber auch dieser Versuch hielt nicht lange. Gerüchten zufolge sind dort offen Drogen-Pakete über den Tisch gegangen. Und als neulich die ganze Fassaden-Aufhübschung abgenommen war, kam wieder ein gemalter Kanarienvogel zum Vorschein, den "Hoppel und Co." hatten anbringen lassen.
Dieser ist nun übermalt. Angeblich soll nun eine indische Kette dort einziehen, mit einem Mietvertrag von 30 Jahren. Die möglicherweise das Geld aus diesem Lokal nicht braucht, sondern einfach nur hier vertreten sein will. (Modell: Kaufhof am Ostbahnhof, wo es immer so himmlisch leer ist...) Die Fassade wurde vor wenigen Wochen orange gestrichen, seither ist nichts weiter passiert.
Hoffen auf den großen Schub durch das Freudenberg-Gelände? Es wird in wenigen Jahren eher noch lauter und unwirtlicher, wenn die Straßenbahnlinie 21 zukünftig wie geplant auch noch durch diesen Teil der Straße direkt zum Ostkreuz abbiegen soll.

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Schlechte Lage (1)

Im kurzen Stück der Straße, in der der Laden steht, in dessen Hinterzimmer ich mein Lagerbüro habe, wechseln nahezu halbjährlich die benachbarten Gewerbe. Als ich vor knapp fünf Jahren einzog, hatte den Laden direkt nebenan ein Kubaner, bei dem ich nie essen war, dessen Spaghetti mit Ketchup allerdings sprichwörtlich geworden sind. Ein netter Typ - der nur Dank eines rassistischen Spruches seines ekligen Vermieters aus dem Knebel-Mietvertrag rausgekommen ist.
Es folgte ein ambitionierter wirkendes Lokal, das offenbar vor allem abends Gäste anlocken wollte. Neben Getränken gab es auch selbst gekochte Speisen, die Richtung war deutsche und böhmische Küche. Auch dieses Etablisment hielt sich nicht lange - es ist einfach keine gute Lage, in diesem Teil der Straße, der durch die Straßenbahn und lauten Autoverkehr geprägt wird. Und durch parkende Autos auf den Gehsteigen. Kein schöner Ort, um zu verweilen. Schon gar nicht zur warmen Jahreszeit draußen. Das Stück Schei, äh Straße befindet sich zwar in einem Gebiet, von dem man meinen sollte, es könnte recht frequentiert sein. Es liegt zwischen der "Bettenhochburg" mit den ganzen Hostels nahe des Ostkreuzes und dem Kiez um die Simon-Dach-Straße. Warum also kein Vorglüher oder Absacker in einer der Querstraßen dazwischen? Aber nein. Die Leute wollen in die Straße, die ihnen ihr Reiseführer vorschreibt. Allenfalls die Wühlischstraße scheint noch profitieren zu können. Unsere Straße ist hingegen wirklich nicht einladend.
Als nächstes folgte die "Wandelbar". Wieder aufwändige Arbeiten an der Fassade, und Mühe und Liebe, es tat mir schon fast weh, das alles mitanzusehen. Hier war offenbar das Konzept gewesen, einen Bar-Betrieb zu etablieren und dazu einen Ort für Parties zu stellen. Seit dem Jahreswechsel wirkte das ganze sehr verwaist, es tat sich nichts mehr im Schaufenster. Bis mindestens Ende März hing dieser Zettel hier links aus. Und zum zweiten Quartal machten sich wieder neue Menschen daran, den Laden zu renovieren. Ein italienischer Imbiss ist nun am Entstehen, der sich offenbar gezielt die Lauf- bzw. Stehkundschaft der Straßenbahnhaltestelle direkt vor dem Laden zum Publikum machen will. Das klingt zunächst nach einem vernünftigen Gedanken, allerdings ist die Haltestelle auch nicht dermaßen stark frequentiert. Außerdem fährt die Bahn alle 10 Minuten, allzu lange Wartezeiten sind also in aller Regel nicht angesagt. Ich bleibe skeptisch. Die Miete ist viel zu hoch und die Lage schlecht. An zweiterem wird voraussichtlich auch nicht viel ändern, dass nicht weit entfernt das sg. Freudenberg-Areal neu bebaut wird, und bald vor allem besserverdienende Mitmenschen die Gegend bevölkern werden.

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