Im "Outdoor"-Reiseführer war der „Gipfelwanderweg“ beschrieben,
der auf einer Tour die beiden höchsten Berge Liparis, den Monte Chirica (602
Meter,
vor rund 127.000 Jahren ursprünglich als
Stratovulkan entstanden, längst überprägt durch nachfolgende vulkanische Ereignisse) und den Monte San
Angelo (594 m, vor rund 90.000 Jahren
ebenfalls als Stratovulkan entstanden) verbindet.
Start der Tour ist etwas oberhalb von Quattropani im Nordwesten der Insel; wenn
ich mich richtig erinnere, eine Busstation nach der der „Cave Caolino“. Dieser
Bereich ist relativ fruchtbar, die Gegend ist, auch wenn sie recht hügelig ist,
geprägt von kleinen verstreuten Anwesen sowie Gärten und Kleingärten. Das Wetter meinte es den ganzen Tag über gut mit mir, es war teils heiter, teils sonnig um die 20 Grad und damit besser als eigentlich angekündigt.
An einer Stelle endete der im Reiseführer von 2014 beschriebene Weg leider schon wieder
im Nirgendwo, besser gesagt, an einem wüst gefallenen Haus. Ich gerate in
solchen Situationen schnell außer Fassung, weil ich mir an solchen Problemen
schnell die Schuld selbst gebe. Nach etwas Beruhigung und nochmaliger
Draufsicht nach Umkehr war aber schließlich doch eine Abzweigung zu erahnen,
aber wirklich nur zu erahnen. An einer Stelle setzte ein zugewachsener, steil
ansteigender Pfad den Weg fort. Als ich oben wieder asphaltierten Boden
erreichte und ein im Text beschriebenes neues Haus sah, war ich wieder
beruhigt. Nun kläffte zwar ein Hund, der dann aber offenbar zurückgerufen
wurde, jedenfalls konnte ich unbelästigt passieren. Wandererinnen und Wanderer
sind in dieser Ecke ganz offensichtlich nur selten anzutreffen, mir kam auch im
ganzen Laufe des Tages kein anderer entgegen und
ich begegnete auch niemandem.
Nur in diesem Abschnitt meiner heutigen Tour waren 1-2 Leute in ihren
Kleingärten zu sehen. An einer schönen, traumhaft gelegenen Villa begann ein
kleines Wäldchen und von nun an ging es auf den Monte Chirica hinauf, der in seinem
oberen Bereich zu weiten Teilen bewaldet ist. Es gibt oben sowas wie ein Gipfelplateau,
das an einer Stelle – wohl der höchsten -
ein Gipfelkreuz stehen hat. Ansonsten ist das
dort aber ganz unspektakulär, keine Tafeln, Beschreibungen o.ä. Auch der Blick
ist durch die starke Vegetation, über die man hinwegblicken muss, nur in manche
Richtungen so richtig gut. Der eigentlich ganz okayne Blick rüber zu den Inseln
Panaräa und Stromboli wird aber – das weiß ich, weil ich
2017 dort gewesen bin
- von dem vom vorgelagerten Monte Pilato (476 m)
übertroffen, an dem man direkt
an der Abbruchkante steht und das Meer und die beiden Inseln fast direkt vor
sich hat. Der Monte Chirica ist also eher ein Ort, den man besucht um sagen zu
können, am höchsten Punkt von Lipari gewesen zu sein - aber es gibt weitaus
spannendere Orte auf der Insel.
Der Abstieg in den Sattelbereich, der Monte Chirica und Monte San Angelo
verbindet, führt durch weitgehend weißes Gelände mit mal dünnerer, mal
kräftigerer Vegetation. Der weiße Boden kommt von Bimssteinausbrüchen des Monte
Pilato, die aus der Zeit vor 11.000 bis vor rund 1.500 Jahren (also 500 n. Chr.!) stammen.
Auch der Monte San Angelo ist in seinem nordwestlichen, nördlichen und
nordöstlichen Bereich stark bewaldet, so dass zunächst auch von dort oben keine
besonders guten Ausblicke zu bekommen sind. Die Szenerie oben ist zunächst ohnehin
recht ernüchternd. An
der höchsten Stelle stehen mehrere Funkmasten, dazu wurde
seinerzeit offenbar direkt dort gebaut, es standen Bauwerkzeuge herum und es
war auch ein Bereich abgesperrt. Dazu machte irgendein Generator laute
Geräusche, obwohl natürlich niemand zu sehen war, und ich auch sicher war, dass
niemand dort in der Nähe ist. Auch gibt es in jenem oberen Bereich einen großen
abgesperrten Bereich, der früher als Regenwasserreservoir genutzt wurde,
zuletzt aber in Teilen ein Stellplatz für Solarzellen ist. Kein Ort um zu
verweilen. Es lohnt sich allerdings sehr, den Gipfelbereich in etwas südlichere
Richtung zu verlassen. Dort öffnet sich die Landschaft, und auf einmal sind
hier wirklich großartige Blicke nach Osten (Monte Rosa),
Südosten (Lipari
Stadt, Sizilien), Süden (Monte Guardia, Vulcano) und später auch nach Westen
(Lipari Westküste, Salina, Filicudi, Alicudi) möglich. Und das ist wiederum ein
Ort, um endlos zu verweilen; um ein großartiges Panorama auf sich wirken zu
lassen und zu staunen, dass es solch schöne Plätze geben kann! Es gibt einen Ort auf Lipari, der "Quattro occi" (oder auch "Belvedere") genannt wird, was meint, man bräuchte vier Augen, um die Schönheit des Anblicks erfassen zu können. Jenen Ort oberhalb der Spaggia Valle Muria mit Blick nach Vulcano sollte man
natürlich gesehen zu haben, aber mehr noch als jener Mono-Blick ist
dieser Platz des
Monte San Angelo mit Blick in vielerlei Richtungen ein absolutes Highlight Liparis! Interessant dabei zu bedenken, dass alles, was südlich dieser Stelle zu sehen ist, erst seit vor 20.000 bis 13.000 Jahren in der III. Periode der Bildung von Lipari entstanden ist. Bis zu jener Zeit hätte man von hier aus direkt aufs Meer geblickt, und auch Vulcano gab es damals noch nicht.
Von dort an ging es nochmal etwa die doppelte Wegstrecke bis zurück nach Lipari
Stadt. Es sind weiterhin schöne Blicke möglich, der Weg selbst führt aber
weitgehend über Asphaltstraßen und durch teils dichter besiedelte Gebiete, so dass
ich irgendwann auch wieder froh war, den
Corso
in Lipari Stadt erreicht zu haben und im Quartier angekommen zu sein.