Sunday, April 30, 2017

Invaliden-Wirtshaus am Königstor zu verpachten

Ein nicht nur wegen seiner wechselnden Buchstaben-Form schwer zu lesender Text. Wie würde er lauten, wenn sich die Damen und Herren damals auch schon auf die heute berühmten 140 Zeichen hätten beschränken müssen...?! Das damalige, erste Königstor lag direkt am heutigen Alexanderplatz. Die Anzeige wurde gleich lautend 1730 und 1736 wieder veröffentlicht.

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Friday, April 28, 2017

Friedrich Wilhelm Hassan

Gestern hatte ich auf einmal eine Akte aus einer viel früheren Zeit als sonst vorliegen. Habe ich es sonst mit Geschehnissen aus dem späten 18. Jahrhundert zu tun, ging es in jenem Konvolut um die Jahre zwischen 1699 und 1708. Unter anderem begegnete mir die leibhaftige Sophie Charlotte, nach der ja halb Berlin benannt ist.
Ein Name kehrte jedoch immer wieder und zog meine besondere Aufmerksamkeit auf sich: Friedrich Wilhelm Hassan. Wer ist das denn? Da der Name ähnlich häufig auftrat wie sonst nur der von Königen bzw. Markgrafen, und an Friedrich Wilhelm Hassan auch öfters Briefe adressiert waren, dachte ich kurz daran, ob eventuell ein Prinz jenen muslimischen dritten Vornamen angenommen hatte. Bei der bekannten religiösen Toleranz des Hauses Hohenzollern in jener Zeit?
Aber weit gefehlt. Es stellte sich heraus, dass Friedrich Wilhelm Hassan zusammen mit Friedrich Aly (einem Vorfahren u.a. des Historikers Götz Aly) im Jahr 1686 im jugendlichen Alter an den markgräflichen Hof verschleppt wurde und diese die ersten beiden sg. Kammertürken gewesen sind, die wegen ihres Exotentums als Schmuck des Hofes galten. Sie fungierten als Leibdiener von Sophie Charlotte. Wer ihnen die seltsamen Namen gegeben hat, bleibt offen. Ebenso ihre genauen Tätigkeiten. Zumindest zu Friedrich Wilhelm Hassan gehörte jedoch offenbar Korrespondenz. Beide genossen durchaus hohes Ansehen und verdienten offensichtlich nicht schlecht, denn sie konnten sich Häuser direkt am Schloss Charlottenburg leisten.    
Sie gelten als die beiden ersten Türken in Berlin und wurden in den letzten Jahren bei der Suche nach Vorläufern heutiger Migranten häufiger rezipiert. Forschungen, die weiter in die Tiefe gehen, und unter anderem die Fragen beantworten, die ich oben aufgeworfen habe, sind mir bisher nicht bekannt geworden. 

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Monday, April 03, 2017

Das Buch von Gerrit Meijer

Gerrit Meijer, Gitarrist und Sänger von PVC, ist Ende Februar 2017 im Alter von 69 gestorben. Das war für mich der Anlass, mir sein Buch, das er letztes Jahr im Verlag neues leben publizieren konnte, zum Geburtstag zu wünschen. Der ein Tag vor seinem ist, wie ich erst aus dem Buch erfahre. Ich bin Gerrit einmal persönlich gegenüber gesessen; ich schätzte ihn als Typen ehrlich gesagt mehr als die Musik von PVC, die mir – abgesehen von einer Handvoll Über-Hits – im ganzen zu durchschnittlich ist. Das muss ich auch jetzt wieder sagen, nachdem ich mir meine PVC-Platten nach der Lektüre des Buches nochmal gründlich durchgehört habe. Vielleicht wurde von dieser Band schlicht viel zu viel veröffentlicht.  
Gerrit Meijer ist mir als wacher, aufrechter und unpeinlicher Typ erschienen. Der Meinungs-stark sagte, was er denkt, unabhängig davon, wie es bei anderen ankommen mag. Vielleicht meint das der Untertitel des Buches „Die unzensierte Geschichte“? Warum man eine Geschichte über „Berlin. Punk. PVC“ zensieren wollen sollte, ist mir schleierhaft.  Auch der Titel ist missverständlich. Berlin, Punk und PVC ziehen sich zwar in der Tat durch das ganze Buch, sind aber nicht die einzigen Themen. Passender wäre gewesen, das Buch die Memoiren von Gerrit Meijer zu bezeichnen. Das Buch liest sich sehr leicht und locker, wird aufgelockert durch ein paar s-w-Fotos.
Das Anfangskapitel über die Schulzeit ist eher schwach; die beschriebene Zeit lag ihm womöglich zu fern, und ggf. besaß er auch keine Quellen oder andere Zeugnisse, die ihm das Geschehen neu vor Augen führen hätten können. Ab dann nimmt das Buch aber Fahrt auf und schon deutlich besser ist das zweite Kapitel über seine Lehre und die Erlebnisse als Malocher sowie seine ersten musikalischen Interessen. Spannend sind auch seine Eindrücke der Teil-Stadt West-Berlin, auch „1968“ in West-Berlin bekommt er mit. Da lernt er es, den Kopf zu schütteln über vehement ausgetragene Auseinandersetzungen über die „reine Leere“, die ihm auch später immer wieder begegnen werden.
Es ist interessant, wie der begeisterte Musik-Fan und Plattensammler schließlich zu Punk kommt. Ebenso, seine Sicht auf die frühe Berliner Punk-Szene zu lesen; die Läden, Treffs, Bands. Unter anderem hat er Kontakte zu Eff Jott Krüger von Ideal, die damals gerade groß durchstarten (was dieser für einen Sprachfehler hatte, den er offenbar geschickt kaschieren konnte, hätte mich ja genauer interessiert). Insbesondere beschreibt er natürlich  die Geschichte von PVC, jener ersten Berliner Punk- Band, die er 1977 mit gründet, 1979 aber verlässt.  Für mich bleibt dabei die Frage offen, wie angesagt PVC damals wirklich gewesen sind, denn die Publikumsreaktionen werden als sehr unterschiedlich beschrieben.
Er gibt auch einen Blick auf die Punk-internen Auseinandersetzungen, die er aus der Perspektive des Älteren schildert, der auch öfters angefeindet wird, unter anderem allein deswegen, weil er älter ist. Und weil er – allein durch die Erfahrungen von „1968“ – Diskussionen um die „reine Leere“ (teils gefolgt von militanten Aktionen) in der Punk-Szene nur lächerlich finden kann. Er äußert sich dabei keineswegs „Punk-feindlich“, wie es dem Buch schon vorgeworfen wurde, sondern gibt den Blick frei darauf, dass es bereits damals in der unmittelbaren Anfangszeit ganz verschiedene Vorstellungen von Punk gegeben hat.
Schön, dass er die Entwicklung von PVC auch nach seinem Ausstieg weiterhin im Blick behält; die Band existiert ohne ihn bis März 1984 weiter. Was er sonst über die 1980er schreibt, fand ich rein aus musikalischem Blickwinkel eher uninteressant. Er startete viele Versuche mit diversen Bands und Projekten, die aber  – abgesehen von White Russia – zumindest mir völlig unbekannt geblieben sind. Interessanter sind hier seine Eindrücke von Reisen nach Ost-Berlin mit einem befreundeten Diplomaten. 1988 geht es dann mit PVC neu los, vor allem vorangetrieben durch das Interesse von Bela B. von den Ärzten, der mit PVC einige Songs aufnimmt und eine Maxi-Single veröffentlicht. Im Zusammenhang mit den Mauerfall-Feierlichkeiten äußert sich Gerrit enttäuscht, dass ihr Management sie nicht in von eben jenem Management organisierte Feier-Konzerte integrierte. Was mich etwas verwundert, denn auch wenn PVC die Songs „Wall City Rock“ und „Rocking till the wall breaks down“ gespielt hatten: wer aus einem Massenpublikum – für das jene Konzerte konzipiert waren - kannte schon diese Songs, wen hätten sie interessiert, wer hätte sie hören wollen?
Für die 1990er Jahre beschreibt er einige bizarre Geschichten aus dem Tour-Leben; so unter anderem ein Gerüst vor dem Proberaum, in dem die Anlage steht; oder ein Juz, das dermaßen versifft ist, dass sie lieber nachts  400 km nach Hause fahren. Auch hier begegnen ihm immer wieder Diskussionen um die „reine Lehre“. Besonders stark sind in jenem Teil persönliche Erlebnisse und Gedanken, unter anderem, wenn er darüber schreibt, wie er damit umgeht, wenn das PVC-Mitglied Knut Schaller und seine Eltern sterben.
In der zweiten Hälfte der 2000er Jahre gründen sich PVC , über den Umweg der Band Gerrit and the Rock’n’Roll Stalinists, neu. Etwa 2007 muss es gewesen sein, dass ich sie zwei oder dreimal gesehen habe. Richtig überzeugend fand ich die Konzerte nie, es war mehr Respekt aus dem Wissen heraus:  okay, das ist PVC, eine ganz frühe Band. Man hatte Respekt vor ihnen und war neugierig, sie mal sehen zu können. Aber dann ging man lieber nach 4-5-6 Lieder zur Bar oder nach draußen... So war es oft leer vor der Bühne. Schön, dass er wenige Jahre später letztendlich aus eigener Entscheidung die Reiß-Leine zieht und nicht weiter für die „Ewig-Gestrigen“ spielen will, die auch keine Weiterentwicklung zulassen.
Für mich, der ich ihn etwas kannte, ist das Buch lesenswert. Es ist unterhaltsam und in einer eigenen Art sehr gut lesbar geschrieben (im Übrigen auch sehr gut lektoriert, es heißt lediglich DEPP JONES statt Deep Jones…). Es war Anlass für mich, meine PVC-Platten nochmal neu zu entdecken. Und lustig natürlich, einige Leute erwähnt zu finden, die ich auch kenne. Das Buch ist kein essentieller Pflichtstoff, Freunde des frühen Punkrocks, von Musiker-Biographien sowie von Gerrit Meijer kommen aber auf ihre Kosten.

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