Tuesday, December 08, 2020

Siemensbahn (1): Auf dem Bahndamm bis Gartenfeld

Auf die Siemensbahn bin ich wohl durch Zeitungs- und Fernsehberichte über deren geplante Wiedereröffnung aufmerksam geworden. Zunächst hieß es, das solle bis 2025 geschehen, inzwischen ist die Rede von 2029. Ehe es mit Sanierungsarbeiten losgeht, wollte ich mir diese nochmal im verwahrlosten Zustand ansehen. Erste Besuche machte ich im April diesen Jahres; wie das in Berlin zum Glück üblich ist, fanden sich an mindestens zwei Stellen Löcher im Zaun, durch die sich dann auf den Bahndamm hinaufsteigen ließ. Ich ging jeweils das bewachsene Stück in nordwestliche Richtung. Das Teilstück in Richtung  Süden, das über eine Hochbahn führt, habe ich mir bisher nur von unten her angesehen, wobei ich mir auch vorstelle, dass das oben nicht zugänglich ist. Gleiches dürfte auch für den ehemaligen Bahnhof Wernerwerke gelten, der direkt am vielbefahrenen Siemensdamm liegt.
Die Siemensbahn ist eine stillgelegte S-Bahn-Strecke mit insgesamt vier Stationen zwischen Jungfernheide und Gartenfeld, die zwischen 1927 und 1929 in Eigenregie der Firma Siemens & Halke erbaut worden ist und bis 1980 existierte. Infolge des Reichsbahnerstreiks im September 1980 wurde sie eingestellt, nie wieder in Betrieb genommen und weite Teile der Strecke wurden seitdem weitgehend sich selbst überlassen. Zum Jahr 2029 ist eine Wiederinbetriebnahme sowie eine Verlängerung bis nach Hakenfelde geplant. Anlass dafür sind geplante oder bereits entstandene neue Wohngebiete in Gartenfeld und im Norden Spandaus, dazu plant Siemens einen Technologiepark in Siemensstadt. Warum die Wiedereröffnung nun auf so einen langen Zeitraum hin ausgerichtet ist, erschließt sich mir nicht wirklich, auch wenn es aktuell keine Verbindung mehr vom S-Bhf Jungfernheide zur Strecke gibt und ein neues Viadukt über die Spree gebaut werden muss.
Aber: ich beschwere mich nicht darüber. Denn es ist wirklich spektakulär, was zu sehen ist. Und so ist ausgiebig Zeit, sich die Trasse noch mehrmals im jetzigen Zustand anzusehen. Die Gleiskörper sind an manchen Stellen zwar freigeräumt, aber eben nur an manchen Stellen; anderswo wildern Bäume und Sträucher vor sich hin. Sehenswert natürlich insbesondere auch der ehemalige Bahnhof Siemensstadt, der offensichtlich auch gern von Sprayern besucht wird. Insgesamt ist zwar wenig Betrieb auf den Gleisen, und auch die Anwohner*innen sind es ganz offensichtlich gewohnt, dass da hin und wieder jemand über die ehemalige Bahnstrecke läuft. Ganz alleine war ich bisher aber noch nie dort, es begegneten mir teils Pärchen, teils spielende Kinder, bereits erwähnte Sprayer sowie andere, die wie ich an "Lost Places" ihre besondere Freude haben.
Bei den ersten beiden Besuchen bin ich jeweils nicht weit über den ehemaligen Bahnhof Siemensstadt hinausgekommen. Diesmal sollte es weiter gehen, möglichst bis zum ehemaligen Endbahnhof Gartenstadt, in dem bis 2012 eine Gärtnerei untergekommen war. Markant an jenem Stück ist, dass an manchen Stellen die Gleise völlig entnommen wurden, während an anderen Stellen bis zu sechs Gleise parallel noch enthalten sind. Spektakulär auch ein altes Stellwerk, das begehbar ist - in aller Vorsicht, versteht sich, und legal ist das alles natürlich auch nicht - ehe am Ende der Strecke der ehemalige Endbahnhof Gartenfeld steht, in dessen verschiedenen Bereichen noch Überreste der Gärtnerei zu finden sind.
Es gibt - neben der Wikipedia-Seite, die regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht wird - mindestens drei sehr empfehlenswerte Websites mit mehr Informationen und vor allem auch teils sehr guten Fotos (und einem Film) zur Siemensbahn. Auf www.stadtschnellbahn-berlin.de werden historische Informationen und Fotos von 1930 über 1979 bis 2005 zusammengestellt. Von dort gibt es einen link zur Seite www.stadtschnellbahn-berlin.de/spaziergang, auf der Thomas Krickstein in neun Unterkapiteln sehr interessante Fotos von sechs Spaziergängen aus dem Juli 2004 gesammelt hat. Sehr interessant unter anderem, dass manche Teile der Strecke 2004 offensichtlich verwilderter waren als heutzutage, andere hingegen (vor allem das Stellwerk!) noch in einem deutlich besseren Zustand da standen. Auf www.blocksignal.de hat Steffen Böhr 138 Fotos von einem Spaziergang auf der Siemensbahn im März 2015 veröffentlicht.

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