Saturday, April 30, 2016

Mindestlohn

Ein Kollege kam neulich gekleidet in einen Mantel eines bekannten Paketdienstes zur Arbeit. Ich fragte ihn, warum er diesen trägt, und er erklärte mir dann, dass sein eigentlicher Job bei jenem Paketdienst sei, 25 Stunden die Woche, und die Tätigkeit hier nur sein Nebenjob auf Mini-Job-Basis. Bei beiden Tätigkeiten erhalte er den Mindestlohn, beim Paketdienst sei sein Vertrag jedoch unbefristet. Allerdings sei der Zeitrahmen von 25 Stunden dort nicht auszudehnen, da das dortige Schichtsystem das nicht zuließe. So arbeite er an den Tagen, an denen er auch hier sei, insgesamt 13 Stunden lang.
Ich fragte ihn, ob sich durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sein Lohn bei jenem Paketdienst verändert hätte, und er meinte, ja, um immerhin 13 Cent pro Stunde.
Ich muss bei Gelegenheit mal fragen, wie sich der Lohn in dem Unternehmen, in dem ich derzeit arbeite, entwickelt hat. Ich befürchte eigentlich, dass die 8,50 € brutto nur auf gesetzlichen Druck hin zustande kamen.
Mir wird zunehmend bewusst, dass es der SPD durchaus anzurechnen ist, dass sie ihr Gewicht für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns eingesetzt hat. Zuvor müssen im Niedriglohn-Bereich oftmals Wildwest-Methoden geherrscht haben.

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Distanz

Eigentlich komme ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen sehr gut klar und fühle mich dort - bezogen auf die Kollegen - durchaus wohl. Allerdings verbringe ich meine große Pause immer gern alleine, um auf andere Gedanken zu kommen. Und auch auf den An- und Abfahrten zur Arbeit bin ich am liebsten für mich.
Manchmal fuhr ich mit einem spanischen Kollegen ein Stück weit. Er ist ein netter Typ, hat Philosophie studiert und verbringt wohl seine Freizeit auch öfters mal bei Punk-Konzerten und in Haus-Projekten. Dennoch, nach acht Stunden Arbeit hab ich erstmal gern meine Ruhe. Zumal er eher gebrochen Deutsch spricht und ich dann manchmal Schwierigkeiten habe, ihm zu folgen. Das ist nicht ganz fair, das weiß ich, aber ich bin dann erstmal alle. Bei ihm hab ich aber kein schlechtes Gewissen, mich auch mal zurück zu ziehen. Denn ich habe den Eindruck, dass er etwas in seiner eigenen Welt lebt und auch öfters gern ungestört ist.
Anders ein anderer Kollege, ein Trans-Gender-Typ, der damit auch sehr offen umgeht und im Ganzen ein netter Typ ist. Wenn ich mit ihm fahre, geht es meist jedoch ausschließlich um Arbeits-Themen. Und das will ich schlicht nicht. Wenn Feierabend ist, ist gut, und dann will ich mich auch nicht weiter mit der Arbeit beschäftigen. Spekulieren, was die neue Lagerhalle bringen wird. Oder ob es tatsächlich Änderung in den Arbeitszeiten geben wird. Oder über diesen und jenen Kollegen reden. Gestern wurde mir bewusst: ihm fehlt die Distanz zu dieser Arbeit. Er scheint glücklich zu sein, sie bekommen zu haben. Er ist auch gut ins Kollegium integriert und ich bin mir sicher, dass ihn auch das sehr freut. Ich will jedoch nicht auch noch meine wenige Freizeit mit Gedanken über diesen Laden verbringen.
Zumal ich mir neulich mal sowas wie einen Gesamtkatalog des Angebots angesehen habe, der mich doch sehr befremdet hat. Und neulich wurde ein Rollbehälter mit Gratis-Büchern zum Mitnehmen angeboten, und ich habe mir - neben diversen Büchern über die DDR und die Sowjetunion - eines über den Aufstieg und Niedergang von Anton Schlecker mitgenommen und gestern angelesen. Was dort über die Werte eines Unternehmens geschrieben steht, lässt auch neu über meinen aktuellen Arbeitgeber nachdenken. Eigentlich ist das nämlich ein sehr undurchsichtiges Konstrukt, das ich noch immer nicht ganz verstanden habe. Zu beidem - dem Buch wie dem "Konstrukt" - ein ander Mal mehr.

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Tuesday, April 26, 2016

Geschichte und Geographie und Spandau

Manche Akademiker/innen neigen dazu, sich ihre Drecks-Jobs schön zu reden. Das will ich an dieser Stelle gar nicht erst versuchen, es wäre zum Scheitern verurteilt. Oder...?
Was hat mein Job zum Beispiel mit "Geschichte" zu tun?
...dass ich ab und an Geschichtsbücher kommissioniere und verschicke, insbesondere das Thema DDR, aber auch Nationalsozialismus wird bei "uns" gekauft. Aber die DDR nimmt doch eine herausragende Stellung ein, es gibt auch so Klimbim wie Original-NVA-Trinkflaschen oder Original-NVA-Tragetaschen zu bestellen. Ebenso nachgepresste Orden oder DDR-Briefmarkensets. Dazu alle vorstellbaren FDJ- und Arbeiter-Lieder auf CD. Und DDR-Serien auf DVD. Man blickt da doch in Abgründe... U.a. gibt es auch Bücher über Generäle der DDR u.ä. Es sind aber natürlich auch ab und an wirklich interessante Titel dabei, von denen ich mir ggf. manche mit Rabatt, der Mitarbeitern gewährt wird, selbst ziehen werde.
Und was mit "Geographie"?
... dass mich die Ortsangaben der Pakete manchmal erfreuen. So erfuhr ich u.a., dass es immer noch einen "Leninplatz" gibt... (überflüssig zu erwähnen, "sicher in Ost-Deutschland"... ;-)).
Aber auch der Ort Pullenreuth (PLZ mit einer 9 vorne, sicher Franken) klingt nett. "Elend" im Harz kannte ich bereits von einer Anekdote von einem Uni-Professor:  "Elend grüßt die Sportler der DDR".
Irgendwann dieses Jahr soll es in der Zitadelle Spandau, die nicht weit weg ist von unserer Arbeitsstätte, eine Ausstellung mit alten Berliner Denkmälern geben, u.a. mit dem berühmten Lenin-Kopf. Das wird der Anlass für mich sein, mir mal die Zitadelle von innen anzusehen. Spandau hat übrigens eine durchaus pittoreske Altstadt, die gerade bei Sonnenschein nett anzusehen ist. Schön auch die Lage am Wasser, wo die Spree in die Havel fließt.<--- p="">

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Sechste Woche: Sportliche teilnehmende Beobachtung, Schaum-Party und die Irrtümer eines Akademikers

Es läuft die sechste Woche als "Produktions-Helfer" beim Versand-Dienstleister, und es scheint sich alles zu festigen und zu normalisieren. Über das frühe Aufstehen will ich am liebsten gar nicht weiter nachdenken, es klappt, mich wundert das, aber Hauptsache, es klappt...
Zuletzt war ich öfters beim "Packen" eingeteilt, woran ich mich aber weiter gewöhnt habe. Horror ist es nur dann, wenn man "Sorten-reine" CDs verpacken soll, und zwar so schnell es geht. Und dann auch noch die Chefin ankommt und einen zusätzlich antreibt, auf dass man noch schneller arbeitet. Wie absurd! Da steht man schon da und denkt: "warum macht so ne Tätigkeit eigentlich keine Maschine?!", und dann kommt dann noch so ein leibhaftiger Mensch an und macht in allem Ernst auch noch Stress. Aber ich nehme das alles weiter sportlich und "teilnehmend beobachtend", und ich muss hier auch sagen, dass das das einzig wirklich Unangenehme an diesem Job ist. Einige Kollegen sehen zu, dass sie nicht mit der Chefin eingeteilt werden - auch ich werde das zukünftig versuchen.
Richtig lustig ist das Packen ab und an mit einem Kollegen, der oftmals sehr unterhaltsames Zeug erzählt. Er scheint einen kurdischen Hintergrund zu haben, ist um die 30, und hat einfach die Sprache, die man türkischen / kurdischen Jugendlichen oftmals unterstellt, voll drauf. Und zwar nicht aufgesetzt, sondern: hier spricht das Original! Er ist keineswegs dumm, und manchmal weiß man nicht so recht, meint er das nun ernst oder nicht. Es ist jedenfalls unterhaltsam. Seitdem er gemerkt hat, dass mir das zum Teil echt gefällt, hat er mich wohl als seinen Kumpel anerkannt. Einmal hat er erzählt, dass er zur "Schaum-Party" geht, und ich stand nur da und hab ihn wohl fragend, aber mit Begeisterung angeguckt. Woher weiß ich von "Schaum-Partys", was ist das? Dazu konnte ich mir ihn sofort gut vorstellen, wie er nur in Badehose und Badelatschen gekleidet durch die Zähne pfeifend die Kuh fliegen lässt!
Und nochmal schneller geht die Zeit um, wenn sich auch noch umstehende Kolleginnen und Kollegen in solche Gespräche mit einschalten. Und natürlich geht es bei der Tätigkeit vor allem nur um eines - dass eben die Zeit rumgeht...
Die Frage, ob sich die Lager-Leute über den Umzug bei laufendem Betrieb freuen, habe ich irgendwann sogar einem gestellt. Aber eigentlich hätte ich mir die Frage auch sparen können. Denn der Umzug bedeutet einfach zusätzliche Arbeit, auch am Wochenende, und das hat man natürlich nicht so gern. Auch sind wohl die neuen Räume weniger komfortabel als die jetzigen, so dass sich keiner, der diese schon gesehen hat, wirklich auf die neue Zeit freut.
Die Idee mit dem "Umzug bei laufendem Betrieb" wird auch sehr kritisch gesehen. Die Regale werden nun sukzessive abgebaut, alles wird auf dem Boden auf Paletten gelagert, was das Heraussuchen der Waren sehr viel schwerer macht. Die Entscheidung dazu hat wohl die Chefin auf Druck von "oben" getroffen. Da denkt man sich als Akademiker so, warum werden da nicht die Leute hinzugezogen, die Lager-Erfahrung haben und auf sowas ggf. in ihrer Ausbildung vorbereitet werden... Streng hierarchisch. Mit offizieller "Mitbestimmung" ist sonst übrigens auch nichts, es gibt auch keinen Betriebsrat, obwohl das Unternehmen mit knapp 100 Leuten dafür eigentlich groß genug wäre. Ich habe mir wohl unbewusst am Anfang vorgenommen, alles mitzumachen, wenn ich nur endlich Geld verdienen kann. So werde ich auch hier den Teufel tun und etwas anregen oder irgendwas... (interessant ist hier, wo meine Grenze liegt, also was ich mitmache und was nicht - ich bin gespannt).
Als Akademiker hatte ich mir anfangs auch vorgestellt, dass die Auswahl des Radio-Programms Ergebnis einer langwierigen Diskussion bei einer Betreibsversammlung gewesen wäre, bei der man sich dann nach zähem Ringen eben auf den (Kompromiss-) Sender "88,4" geeinigt hat. Selten so daneben gelegen... Es schaltet morgens einfach irgendjemand das Radio an. Manchmal wird übrigens auch der schreckliche "Energy"-Sender eingestellt, der noch viel mehr Wiederholungen als "88,4" bringt. Wem der Sender nicht passt und wer sich traut, macht einfach das Radio leiser oder stellt einen anderen Sender ein. Wobei offenbar nur wenige Sender empfangen werden können. Ich hoffe dennoch, dass ich es irgendwann mal fertig bringe, die Räume mit "Radio 1" zu beschallen. Jegliche Gitarren-Musik ist eine Wohltat verglichen mit dem, was ständig bei "Energy" läuft...

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Tuesday, April 12, 2016

"Ich werde das versuchen"

Einige meiner Kolleginnen sind sehr "extrovertiert" - um nicht zu sagen laut und derb. Das bringt eventuell die eher einfache Tätigkeit mit sich, wobei es auch ganz andere Charaktere unter den Kolleginnen und Kollegen gibt.
Einer der Scanner funktionierte nicht, mit dem die Rechnungen gescannt werden und im nächsten Arbeitsschritt die Adress-Labels gedruckt werden sollen. Ein von mir sehr geachteter asiatischer Kollege konnte somit nicht arbeiten und rief die Schichtleiterin, auf dass sie ihm helfe. Diese begann sogleich, sich über das Gerät aufzuregen, wollte schon zum Telefon greifen um den IT-Service zu holen. Aber dann ging der Scanner auf einmal doch wieder, aus unbekannten Gründen. An den Kollegen gerichtet meinte sie in ihrem Berlinerisch: "Siehste, man muss nur schimpfen, dann funktioniert es wieder". Worauf der Kollege, der sehr fleißig ist und sich wohl niemals über etwas beklagen würde, in seiner eigenen markanten Stimmlage halblaut vor sich hin sagte: "Ich werde das versuchen". Eigentlich wüsste ich sehr gerne, wie er das gemeint hatte. Zum Brüllen komisch war es für mich auf alle Fälle.

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Vierte Woche und Umzug

Inzwischen bin ich die vierte Woche beim Versand-Unternehmen. Es läuft meine zweite Frühdienst-Woche, 4 Uhr aufstehen, das ich bisher ganz gut hinkriege, was ich mir noch vor wenigen Wochen nicht hätte vorstellen können. Es bleibt völlig absurd - aber ich mach's einfach, und bisher klappt es.
Anfangs hatte ich immer nur kommissioniert, das heißt, die gewünschten Artikel heraus gesucht. Nach der zweiten Woche sollte ich dann aber auch damit anfangen, die Pakete zu packen. Und mir wurde schnell deutlich, dass das ein sehr stumpfes Geschäft ist! Es sind immer die gleichen Bewegungen, und das möglichst in hoher Geschwindigkeit. Ich kenne nicht genau die Definition von Akkord-Arbeit, aber so ähnlich stelle ich sie mir vor. Ebenso stelle ich es mir so vor, wenn davon die Rede ist, dass Leute "in die Fabrik" gehen. Ich habe mich mit der Zeit etwas daran gewöhnt, und heute z.B. habe ich den Arbeitstag recht souverän runter gerissen, bei einer Quote von 1/3 "Suchen" und 2/3 "Packen". Vielleicht habe ich dabei mein eigenes Tempo gefunden, und hechele nicht nur dem her, was ich denke, was von mir erwartet wird. Es bleibt aber dabei, dass ich lieber "suche" (passender wäre ja: "finde") als "packe".
Ansonsten zieht unser Lager nun um, bei laufendem Betrieb. Die Chefin rotiert und will am liebsten ständig selbst mit an packen. Dabei wäre doch bei aller Aufgeregtheit ruhig Blut angesagt, und die Nerven behalten. Die Lageristen wirken lässiger. Natürlich ist es auch nicht ihr Unternehmen, und sie sind auch nicht verantwortlich dafür wie es die Chefin ist. Dennoch stelle ich mir es so vor, ob es für die "Fachangestellten für Lagerlogistik" vielleicht sogar eine willkommene Abwechslung, eine willkommene Herausforderung ist, mal einen solchen Umzug durchzuziehen. Und nicht nur immer Schema F des Tagesgeschäftes zu haben. Ob es wirklich so ist, weiß ich aber nicht, dazu habe ich zu ihnen noch nicht zu gefestigte Kontakte. Letztendlich geht vieles aber über ihre Muskeln und Knochen, auch wenn ihnen natürlich alle möglichen technischen Geräte zur Verfügung stehen. Eines scheint übrigens fester Bestandteil der Ausbildung zu sein: die Herausbildung des "Django-Gangs". Breite Hüften, breite Schultern. Nur nicht zu schnell. Aber man kann sie alles fragen, und sie wissen wirklich bescheid.

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