Sunday, December 28, 2014

Das verlassene Tal

Eher kurz entschlossen bin ich bei meinem jüngsten Besuch in Rohracker ins Bußbachtal eingebogen. Eigentlich hatte ich bereits alles gesehen, was ich hatte sehen wollen, es ging jetzt nur noch darum, wie ich zurück auf die Höhe nach Sillenbuch komme.Dann wollte ich aber doch noch mal den Ort sehen, wo die alte Turnhalle stand und das Zwangsarbeiterlager war. Und wenn man den sehr kurzen Weg „Im Bußbachtal“ hinter sich gebracht hat und um die Ecke in Richtung Süden, also bergan blickt, meint man (zumindest zur herbstlich-winterlichen Zeit) fast immer noch, Leid, Trauer und Tränen spüren zu können. Es ist ein enges, steiles, dunkles, düsteres, abgelegenes, weitestgehend unbesiedeltes Tal. Am Horizont sind nur Bäume zu erkennen, man könnte meinen, hier befände sich ein „Ende der Welt“. Es wirkt auch heute noch wie ein abgetrenntes „Tal der Tränen“.

Beim Blick in die Geschichte dieses Ortes erscheint diese Einschätzung allerdings nicht ganz gerecht, schließlich hegte die Bevölkerung einige Hoffnungen für dieses Tal. So erschuf der Arbeiter-Verein Turnerbund Rohracker 1911 in alleiniger Kraft eine Turn- und Versammlungshalle, auf deren Erstellung die Bevölkerung über lange Jahre stolz war. Dieser Ort war für einige Jahrzehnte einer der Plätze, an dem sich das Dorf zu diversen Veranstaltungen getroffen hat, er war sozusagen einer der Orts-Mittelpunkte. In den frühen 1930er Jahren sollten ebenfalls in jenem Tal ein Fußballplatz und ein Freibad gebaut werden. Das scheiterte letztendlich an den Besitzverhältnissen. Da wollte wohl nicht jeder sein Stückle hergeben. Ebenfalls über Jahrzehnte gab es in jenem Tal eine Gärtnerei, mindestens bis in die 1970er Jahre hinein. 1933 wurden durch die Nazis die diversen Arbeitervereine Rohrackers zwangsaufgelöst, und die Halle kam in städtischen Besitz. In den letzten Kriegsjahren (eine genauere Datierung ist bisher nicht möglich) wurden in jener Halle Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion einquartiert, die dort unter schlimmen Umständen gelebt haben müssen. Es sind einerseits bedauernde Äußerungen von früheren Bewohnern Rohrackers dazu überliefert, andererseits ist aber auch bekannt, dass sich zumindest einzelne Bewohner Zwangsarbeiterinnen für die Gartenarbeit „geholt“ haben. (An dieser Stelle sollte man es sich sicher nicht zu leicht machen und einfach aus heutiger Sicht darüber urteilen. Allerdings ist es sicherlich erlaubt zu spekulieren, dass das ein Grund dafür sein könnte, dass die einheimische Bevölkerung bis heute sehr ungern auf dieses Thema angesprochen wird)
Die alte Turnhalle wurde 1965 nochmals renoviert, mit dem Beschluss des Umzugs von Schule und Turnhalle ins Tiefenbachtal 1970 dann aber geräumt (und im Anschluss offenbar abgetragen).1977 bezog die einige Jahre zuvor neu gegründete Tennis-Abteilung des SKV Rohracker an gleicher Stelle ihre erste Heimstatt, 1985 folgte ein Vereinsheim. Heute stehen dort weiterhin ein Clubheim und zwei Tennisplätze – inzwischen zum vor wenigen Jahren neu gegründeten Verein „Sportkultur Stuttgart“, einem Zusammenschluss verschiedener Vereine des Neckartales, gehörend.

Auch wenn man die diversen Feldwege weiter bergaufwärts wandert, scheint es lange, als ob es keinen Ausweg aus diesem Tal, allenfalls die Möglichkeit einer Umkehr gäbe. Dazu kam mir an jenem Tag noch ein Mann entgegen, dessen Familie schon seit Menschengedenken in Rohracker wohnt. Und der mit seinem kantigen und markanten Gesicht auch aussieht wie jemand aus einer anderen Zeit. Irgendwann wurden die Feldwege asphaltiert, vielleicht in den 1960er oder 1970er Jahren. Ansonsten hat sich dort aber in den letzten Jahrzehnten nichts Wesentliches am Erscheinungsbild geändert. Beruhigend für jemanden, der sich schwer tut mit Veränderungen. Ein einsames, ruhiges, grünes, aber auch etwas unheimliches und (von allen guten Geistern?) verlassenes Tal.

Labels: , ,

Monday, December 15, 2014

Buch: Schriftstellerin als Lageristin bei Amazon

Neulich in der Zeitung entdeckt, vielleicht mit Parallelen zu meiner Edeka-Geschichte: das Buch einer Schriftstellerin, die aus Finanznot bei Amazon arbeitete, und dann darüber schrieb. Nicht unbedingt Rallwaff-mäßig aus Enthüllungs-Gründen, sondern einfach, weil sie nicht anders konnte?

Labels: