Monday, September 17, 2007

Weine nicht! (No Ilores, me querida)

André Pilz hat im Verlag des Archiv der Jugendkulturen 2005 seinen Roman-Erstling "No Ilores, me querida" veröffentlicht. Ein Skinhead-Roman, den ich noch nicht gelesen habe. Wie es so ist, Beruf und privat, und außerdem interessieren mich Skinhead-Geschichten spätestens seit Mitte der 1990er nicht mehr. Letztendlich immer wieder das selbe...
Nun hat allerdings das Ensemble des Deutschen Theaters zu Berlin aus irgendwelchen Gründen Freude an diesem Roman gefunden und ihn als Theaterstück inszeniert. Aus diversen Gründen sind wir an Freikarten gekommen, und so schauten wir uns gestern die zweite Aufführung des Stückes an.

Der Anfang, (gewollt, aber letztendlich tatsächlich) provokant mit Juden-Witzen. Die oft derbe Sprache des Stückes und die angedeutete Brutalität der Leute untereinander - sie schocken mich nicht mehr, dazu habe ich mich wie gesagt als Punk-Szene-Gänger genug mit Skinheads beschäftigen müssen. Der Handlungsstrang erschien mir verworren und schwer durchschaubar. Zumal mit lokalen Einsprengseln (u.a. Bezugnahme zur "Alexa" und zu Union Berlin), die sicher nicht so im Roman standen. Und laut diverser Zeitungskritiken mit Bezugnahme auf klassische Stücke, was mir natürlich verborgen geblieben ist. Es wirkt nicht auf mich, ich blick nix - soweit also: "lass ma'!"
Überzeugend allerdings die Schauspieler, denen man' s wirklich abnimmt, das 1:1 zu spielen, obwohl sie natürlich real Schauspieler sind und keine Skinheads.
Und letztendlich hat mich das Stück neugierig gemacht, das Buch zu lesen.
Insofern also eigentlich doch ganz interessant.

Anfang Oktober sind nochmal zwei Vorstellungen, Eintritt 19.- (ermäßigt 9.-) Euro.
Das Buch gibt's bei... Aber halt, Trennung von privat und Beruf...

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3 Comments:

Blogger Kongo-Otto said...

von http://www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&task=view&id=434&Itemid=40:

Skandal authentisch oder inszeniert?

Nur einer Zuschauerin wird es zu bunt. Sie steht auf und greift verbal erst die Schauspieler, dann auch den unter den Zuschauern sitzenden Intendanten Bernd Wilms an. "Was ist das hier für eine Scheiße!" Wilms blickt betreten zu Boden. Die Theater-Skins pöbeln munter zurück und liefern sich mit der Dame eine heftige Auseinandersetzung in Wort und Bier.

Kein Moment der Irritation: fast zu hemmungslos wird auf die erboste Zuschauerin eingebrüllt, als dass man so ganz an die Echtheit des Auftritts glauben könnte. Und weil es sich bei der Dame, die am Ende wutschnaubend das Theater verlässt, auch noch um die Schauspielerin Klara Höfels (und Mutter von Mitspielerin Alwara Höfels) handelt, fällt es noch schwerer zu glauben, dass dies hier kein abgekartets Spiel sein soll. So freut man sich einerseits am ironischen Abgrund, den dieses Spiel mit der Authentizitäts-Huberei plötzlich aufreißt. Und zweifelt andererseits, ob hier nicht doch ein kleiner Skandal inszeniert werden soll, um die Aufführung als Politikum zu behaupten.

1:47 AM  
Blogger Kongo-Otto said...

Und hier der genannte Brief:
Brief an DT-Intendanten Bernd Wilms

Sehr geehrter Herr Wilms,
der Premieren- und Uraufführungsabend des Theaterstücks „Weine nicht“ wird für mich unvergesslich bleiben. Nach fünf Minuten wusste man über die Charaktere Bescheid. Warum ließ man sie weiter distanzlos und unreflektiert agieren? Zeigte keinen Ausweg aus dieser Beschränktheit, so dass bei den Figuren eine Bewusstseinsänderung eintreten konnte? Wie diese Menschen denken und handeln, das wissen wir. Wir bekommen es fast täglich vor Augen geführt, mit ihren Märschen, ihren Aktionen, ob in Mügelen, wo indische Mitbürger verprügelt wurden, ein Rabbiner auf offener Straße niedergestochen wird. Was müssen wir noch erleben, um mutig Stellung zu beziehen?
Für das Theater ist es eine wunderbare Herausforderung, diesen verirrten Menschen, andere Möglichkeiten und Wege zu zeigen. Sie über ihr Herz und ihren Verstand erkennen zu lassen. Das ist die Aufgabe des Theaters. Das ist die Aufgabe von Autorinnen und Autoren, Stücke zu schreiben, in denen solche Sinneswandlung gezeigt wird. Theater ist ein Ort der Aufklärung, der Visionen, des Bewusstmachens, und dies durch Theaterleute, die wissen was sie sagen, was sie tun. Das Theaterstück „Weine nicht“ zeigt keine Visionen, zeigt keine Alternativen, in denen Menschen, die rechtsradikal denken, andere Möglichkeiten des Denkens und Handelns aufgezeigt werden. Ich bin davon überzeugt, kommen Rechtsradikale in Ihre Theaterveranstaltung, werden sie sicherlich volle Bestätigung finden, glauben in einer Werbeveranstaltung ihrer Partei zu sein und sich glücklich schätzen, kostenlos, an einem solch renommierten Ort, in zweieinhalb Theaterstunden, gefeiert zu werden.
Hass erzeugt Hass und Liebe erzeugt Liebe, das ist ein Gesetz der Natur. Das Theaterstück „Weine nicht“ erzeugt nur Hass und negative Emotionen. Darum hielt es mich nicht mehr, nach einer Stunde, auf dem Zuschauersitz. Ich musste das hirnlose Spiel unterbrechen und forderte Sie auf, Herr Wilms, Verantwortung zu tragen. Sowohl Sie, als auch das Publikum, saßen betreten und abwartend. Ich wurde vom Darsteller als Schlampe und „Mach, dass Du raus kommst“ beschimpft. Meiner Freundin Britt Kanja und mir wurde Bier ins Gesicht und auf die Kleidung geschüttet. Der Schreiber von der Berliner Zeitung behauptet, ich hätte den Raum erregt verlassen. Das stimmt nicht. Ich wurde hinaus geworfen. Sofort kam mir in den Sinn, so muss es im Dritten Reich gewesen sein, als die Juden auf offener Straße angegriffen, misshandelt und beschimpft wurden. In meinem Fall blieben auch Sie und das Publikum unbeteiligt, hörten zu, sahen zu, ohne zu reagieren. Die Zuschauer dachten möglicherweise, dass meine heftige Reaktion zum Stück gehört. Als Inszenierungs-Einfall ist das vielleicht eine Möglichkeit, aber es ändert nichts daran, dass der Theaterabend nicht zu retten ist. Es ist ein schlechtes Theaterstück, schlechte Regie, mit Schauspielern, die über ein privates, distanzloses Theaterspiel nicht hinaus kommen.
Theaterspielen ist eine Kunst, dass darf ich nach 35 Berufsjahren als Schauspielerin behaupten. Wie diese Kunst, an diesem besagten Theaterabend, wieder einmal verraten wurde, ist so enttäuschend, so tief traurig, dass ich es gar nicht beschreiben kann.

Herr Wilms, von Herzen wünsche ich mir, dass das Stück nicht mehr weiter gespielt wird. Suchen Sie nach Stücken, die diese unglaublich wichtige Thematik vielschichtig und reflektiert behandeln und bearbeiten.

Mehr Besinnung, mehr Haltung, mehr Verantwortung, wünscht Ihnen und Ihren Mitarbeitern, Klara Höfels

1:48 AM  
Anonymous Anonymous said...

Haha, da schaut der Journalist ein bisschen blöde aus der Wäsche. :)

Denke, ich werde mir das Stück anschauen. Ich kenne das Buch, fand es großartig, musste es aber immer wieder mal beiseite legen. Verdammt harter Lesestoff.

Cheers, Xav.

5:39 AM  

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