Monday, June 05, 2017

Palermo, Cosa Nostra, Kleinkriminalität


Ein Imbiss in Palermo, mit Blick auf den Piazza Indipendenza. Hier, etwas oberhalb des Porto Nuovo, tobt das Leben, fließt der Verkehr. Das Porto Nuovo beendet den Altstadt-Bereich, der in diesem Viertel Fußgängerzone und für den Auto-Verkehr gesperrt ist. Auch wenn man hier direkt an der sehr belebten Straße sitzt, genieße ich es in vollen Zügen. Ein tolles, mir zuvor völlig unbekanntes Imbiss-Essen in der Kralle, und ich fühle mich einfach wohl.
Als ich wieder zuhause bin, erfahre ich, dass wenige Tage zuvor nur etwa 300 Meter entfernt ein Mafia-Boss auf dem Fahrrad erschossen wurde. Am 25. Jahrestag des Attentats auf den Anti-Mafia-Staatsanwalt Giovanni Falcone, was als Zeichen der Mafia gilt, das aussagen soll, dass es sie noch gibt.
Es scheint die sizilianische Mafia, die „Cosa Nostra“ also noch zu geben, auch in ihrer früheren Hochburg Palermo, wo in den frühen 80er Jahren ein Mafia-interner Krieg zwischen den Bossen aus
Corleone samt ihrer Verbündeter und den ansässigen Clans ausgetragen wurde und mehrmals wöchentlich Menschen - in Gegensatz zu früheren Mafia-Traditionen auch Repräsentanten des Staates - erschossen wurden. Diese spektakulären Ereignisse, die die Einwohner dieser prächtigen, herrlich rotten und wilden Stadt erheblich beeinträchtigt haben dürften, scheinen längst endgültig der Vergangenheit anzugehören, die Organisation scheint heute nur noch weitgehend unsichtbar tätig zu sein. Die Website ferien-sizilien quantifiziert in einem leider undatierten Bericht den Anteil der Geschäfte auf ganz Sizilien, die noch Schutzgeld bezahlen, mit „70-80%“. Und schreibt:
Die Erpressung durch die Mafia besteht nicht nur in Geldforderungen, sondern kann soweit gehen, daß die Unternehmer gezwungen werden, bestimmte Mitarbeiter einzustellen, von mafia-genehmen Lieferanten zu kaufen bis hin zur vollständigen Übernahme des Geschäftes.
Ob also auch jener Imbiss, in dem ich mich so wohlgefühlt habe, von der Cosa Nostra gegen Diebe, Brände, Beschädigungen und was auch immer „geschützt“ wird, weil es die Polizei angeblich nicht richten kann? Oder einfach aus Tradition?
Dass es die Organisation noch gibt, lässt sich auch daran ablesen, dass sie öffentlich sichtbar weiterhin ein Thema ist. So unter anderem auf einem Transparent an einem Gerichtsgebäude am zentral gelegenen Palazzo Pretorio, und groß am Geschäft „Punto Pizzo Free“. (Auf die angeblich zahlreich verklebten Aufkleber der Initiative addiopizzo habe ich leider nicht geachtet.) Und mehrere aktuelle Reiseführer raten dazu, das Thema Mafia nicht anzusprechen.
Anders als befürchtet hatte ich übrigens auf Sizilien kein einziges Erlebnis wie in Neapel 2002, als ich von Jugendlichen ausgeraubt worden bin, und auch keine Situation, die nur daran denken ließ. Einigen Spekulationen zufolge übrigens auch das Ausdruck einer funktionierenden Mafia, die die Kleinkriminalität zugunsten der Touristen und der Geschäfte, in denen sie ihr Geld lassen sollen, klein hält...

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