Wednesday, May 10, 2017

Linienstraße

Mindestens zweimal täglich, zumindest werktäglich, habe ich das Bedürfnis, denjenigen zu danken, die die Idee hatten und sie schließlich durchgesetzt haben: die Linienstraße zur Fahrradstraße zu machen! Bringt mich diese doch weitgehend stressfrei quer durch die City Ost, durch die mich mein täglicher Weg zur Arbeit führt.

Das erste Stück hin zur Linienstraße nahe der Kreuzung Torstraße/Prenzlauer Allee führt entlang der viel befahrenen Mollstraße, sicher nicht übermäßig schön. Aber immerhin auf abgetrenntem Radweg, der an den meisten Stellen sogar recht breit ist, so dass das schon geht. Das Problem sind eher die in Berlin häufigen „Winde aus westlichen Richtungen“, die sich in dieser breiten Straße - mit zwei mal drei Spuren plus Bus-Spur - besonders gut entfalten können und denen ich dann entgegen fahren muss.

Nach Überquerung der o.g. Kreuzung dann aber rein in die Linienstraße, wo es meist sofort ruhig ist. Keine Autos unterwegs, meist sogar nur wenige andere Fahrräder. Dazu ein vor zwei Jahren neu geteerter Asphalt-Belag.
Ideal. Die Linienstraße führt nun knapp zwei Kilometer lang parallel zur Torstraße bis zur Friedrichstraße. Architektonisch eine abwechs-lungsreiche und durchaus sehenswerte Straße. Es stehen nebeneinander alte Häuser aus dem Scheunenviertel des mittleren 19. Jahrhunderts, Mietskasernen aus der Zeit um 1900, halbhohe Plattenbauten aus der DDR-Zeit und, naja, Neubauten aus unserer Zeit. (Ist es Kopfschütteln oder schon Brechreiz, das sie bei mir auslösen?). Interessant und für mich überraschend ist, dass es in Mitte doch immer wieder noch alte, offenbar unsanierte Häuser im klassischen verwitterten DDR-braun-grau zu sehen gibt. Die Linienstraße führt über mehrere breitere Querstraßen, die jedoch meist wenig befahren sind. Einzig an der Rosenthaler Straße, über die auch eine Straßenbahnlinie führt, steht man manchmal etwas.
Das Ende an der Oranienburger-/Friedrichstraße ist insofern etwas ärgerlich, da dort die eigentlich einzige Schwachstelle meiner ansonsten wirklich gut zu fahrenden Strecke  beginnt. Wie kommt man legal von der Linienstraße in die Hannoversche Straße, in der es für mich weitergeht? Ich habe noch keine wirkliche Lösung gefunden und behelfe mir so lange mit pragmatischen Querquerungen der um die Zeit zum Glück meist wenig befahrenen oberen (um nicht zu sagen: höchsten) Friedrichstraße.
Die Hannoversche Straße hat keinen separaten Radweg, ist aber insofern okay, da sie meist nicht besonders stark befahren ist. Und ich verlasse sie auch schon nach wenigen hundert Metern wieder. Und zwar nach links, also in westliche Richtung zum Robert-Koch-Platz. Dort beginnt ein besonders schönes Stück, und zwar ein Schleichweg durch das dortige Charite-Gelände. Ich hätte mich nie getraut, dort auf eigene Faust durch zu fahren; hätte auch nicht erwartet, dass man da überhaupt durch kann. Die wundervolle Website bbbike hat mir diesen Weg jedoch offiziell empfohlen. Er endet schließlich an der Invalidenstraße, kurz vor dem Hauptbahnhof. Dort steht man auch meist an der Ampel, was aber nicht schlimm ist, da es nicht allzu lang dauert, und mein Weg führt mich nach der Ampel in nordwestliche Richtung. An dieser Stelle stand bis 1990 der Grenzübergang Invalidenstraße, bei Wikipedia gibt es auch eine interessante Ansicht davon mit Blick von West- nach Ost-Berlin. Der heutige Fahrradweg dürfte wenig hinter der abgebildeten Treppe verlaufen.

Wenn die ersten etwa 200 Meter überstanden sind, die aus wirklich brutal zu nennendem Kopfsteinpflaster bestehen, beginnt ein weiteres sehr angenehmes Stück Wegesstrecke; übrigens bis kurz vor dem Nordhafen alles Teil des Berliner Mauerwegs. Zum Westhafen geht es fortan nur noch am Wasser entlang, dem Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, und fortan – bis auf eine ganz kurze Ausnahme - auch nur noch über perfekte Asphaltstraße. Unter anderem über den Invalidenfriedhof; dass das ein offizieller Radweg ist, hatte mir ebenfalls bbbike verraten. Gegenüber wird derzeit gebaut, hier gibt es teils interessante Hintergründe, teils schauerliche Visionen. War dieses riesige Gelände, das auf der West-Seite des Mauerstreifens lag, zuvor wirklich komplett Brach-Gelände gewesen, bis 25 Jahre nach dem Mauerfall, in dieser zentralen Lage? Fast nicht zu glauben. Es gehörte einst zum Hamburger Bahnhof, war der Bereich für Güterverkehr. Während der Personenverkehr auf dem Hamburger Bahnhof bereits 1884 zugunsten des Lehrter Bahnhofs aufgegeben wurde, wurde der Güterverkehr bis Ende der 1980er Jahre aufrecht erhalten. Der „Nordhafenspeicher“ scheint das einzige alte Gebäude zu sein, das stehen bleiben durfte.Durch einen schönen, offensichtlich noch recht neu angelegten Park am sg. Nordhafen (ohne jeglichen Hafenbetrieb?) geht es bis zur Fennstraße, an der es manchmal etwas dauert, bis man sie überqueren kann. Es geht aber doch meist schneller als von mir anfangs befürchtet. 


Eigentlich gibt es einen Radweg entlang des Kanals, der quer zur Fennstraße fließt. Dieser Bereich ist jedoch abgesperrt, und ich befürchte, dass das eine der berühmten stillstehenden Berliner Baustellen ist. Die abgesperrt ist, auf der nichts passiert (geschweige denn voran geht) und die deshalb auch auf ewige Zeit abgesperrt bleibt. So fahre ich derzeit einen Umweg auf den Gehwegen der Tegeler und Lynarstraße bis zur Straße „Nordufer“, von der es dann verkehrsberuhigt bis zum Westhafen geht. Es scheint ein schöner (und inzwischen auch begehrter) Kiez des Wedding zu sein, der sich nördlich des Nordufers befindet. Im Süden die begrünten Stellen am Wasser, im Norden ein eher „quirliger“ Bereich um die U-Bahn-Station Amrumer Straße; mit diversen Imbissen und türkischen Läden. Und mittendrin ein noch nicht zu hübsches Gebiet mit Eckkneipen und kleinen Läden.     
An der Einfahrt zum Westhafen steht eine AGIP-Tankstelle, und dort einzukehren, hat mir schon manchmal das wundervolle Gefühl einer Zwischen-Rast auf Reisen gegeben.
Mehr als 35 Minuten habe ich für diese Strecke bisher noch nicht gebraucht. Der Bus 142 fährt – mit manchen Abweichungen – eine ähnliche Strecke und braucht bis Amrumer Straße 33 Minuten.

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