Austritt aus der Einheitsfront
Auf der Suche nach gesanglicher Betätigung hatte ich mir
einen Chor ausgeguckt, der Arbeiterlieder singt. Lieder aus der sozialistischen
Arbeiter-Bewegung, wie ich sie u.a. im Freien Radio für Stuttgart kennen
gelernt hatte, hatten mich immer in ihrer Eindeutigkeit, gewissen Martialität und als Zeugen ihrer
Zeit fasziniert. Ferner hatte ich beeindruckende Menschen aus dem
antifaschistischen Kampf gegen die Nazis, u.a. aus Stuttgart und auch speziell
aus Rohracker, die ich kennen lernen konnte, damit in Verbindung gebracht. Diese
Lieder erschien mir jedenfalls als ein Kulturgut, zu dessen Erhaltung ich – wie
ich meinte – gern beitragen wollen würde.
Über den Jahreswechsel war der Kontakt hergestellt, und im
Januar folgte mein erster Besuch dieses Chors. Eine Chor-Leiterin und rund 20
Singende, wie meist in Chören überwiegend Frauen, völlig gemischten Alters, begrüßten
mich freundlich und wir absolvierten gemeinsam das durch seine Mehrstimmigkeit
anspruchsvolle Programm. Eigentlich gefiel es mir zunächst auch durchaus.
Allerdings stand eine Woche später ein Auftritt dieses Chores an, und die im
Anschluss an die eigentliche Chor-Stunde gefolgte spezielle Auftritts-Probe,
die ich mit an hörte, machte mir schließlich klar, dass das mit den
Arbeiter-Liedern doch nichts mehr für mich ist. Unter anderem wurde ein Lied
gesungen, das im Refrain „Kämpfen bis zum Tod“ beinhaltete. Auch im Stadion von
Union Berlin lassen mich die Gesänge von „treu bis in den Tod“ immer
erschauern; was soll nur diese Todessehnsucht, um die eigene Entschlossenheit
zu unterstreichen?
Dieses Lied also ließ mich erheblich nachdenklich werden. Wie auch überhaupt die Vorstellung, mit einem solchen Liedgut aus völlig anderen Zeiten und völlig anderen Gegebenheiten heute noch öffentlich aufzutreten. Und das eben nicht nur, um an ein Kulturgut zu erinnern, sondern auch, um damit weiterhin politische Aussagen zu treffen. Waren Beschreibungen wie Arbeiterklasse und Sehnsüchte nach Klassenbewusstsein und Einigkeit wohl in den 1920er und 30er Jahren noch lebensnah, sind sie heute, in den ausdifferenzierten und fragmentierten Lebenswelten unserer Zeit, in denen sich aber auch neue Verbindungen und Bündnisse bilden, nur noch Dinge aus einer anderen, längst vergangenen Zeit. Und deren ernsthafte Beschwörung ahistorisch, absurd und lächerlich. Mir wurde schließlich klar, dass die, die dort diese Inhalte singen, sie wirklich weiterhin ernst meinen. (Oder sie zumindest als trotzige Erinnerung an die DDR hoch halten, wie ich es mancher Anwesender unterstellen würde.)
Dieses Lied also ließ mich erheblich nachdenklich werden. Wie auch überhaupt die Vorstellung, mit einem solchen Liedgut aus völlig anderen Zeiten und völlig anderen Gegebenheiten heute noch öffentlich aufzutreten. Und das eben nicht nur, um an ein Kulturgut zu erinnern, sondern auch, um damit weiterhin politische Aussagen zu treffen. Waren Beschreibungen wie Arbeiterklasse und Sehnsüchte nach Klassenbewusstsein und Einigkeit wohl in den 1920er und 30er Jahren noch lebensnah, sind sie heute, in den ausdifferenzierten und fragmentierten Lebenswelten unserer Zeit, in denen sich aber auch neue Verbindungen und Bündnisse bilden, nur noch Dinge aus einer anderen, längst vergangenen Zeit. Und deren ernsthafte Beschwörung ahistorisch, absurd und lächerlich. Mir wurde schließlich klar, dass die, die dort diese Inhalte singen, sie wirklich weiterhin ernst meinen. (Oder sie zumindest als trotzige Erinnerung an die DDR hoch halten, wie ich es mancher Anwesender unterstellen würde.)
Dass mir eine Entschlossenheit „bis zum Tod“ fremd ist, und
dass ich so ein Lied nicht singen wollen würde, war mir schnell klar geworden.
Dass ich die Lieder von der Arbeiter-Einheitsfront und dem roten Hahn
heutzutage nicht mehr ernst nehmen kann, erst nach einem gewissen In-mich-gehen.
Ich war aber auch überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass es möglich ist, diese
Inhalte heute noch ohne ironische Brechung zu intonieren.
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