Tuesday, May 12, 2015

Rezension: Karel Ptáčník - Jahrgang 21


Bei der Besprechung dieses Buches heißt es für mich, vorsichtig zu sein. Denn: mir liegen einige flapsig-spöttische Bewertungen dazu auf der Zunge, die ich sicher auch anbringen werde, aber sie sollen nicht dominieren, denn im Ganzen ist es durchaus ein interessantes und kein schlechtes Buch. Das tschechische Original ist 1954 erschienen, ab 1957 folgte eine deutschsprachige Ausgabe in der DDR, die es heute antiquarisch sehr günstig zu erstehen gibt. (Um nicht zu sagen: es wird einem ab 1 € nachgeschmissen…) 1957/58 erschien ein Film mit demselben Namen, aber mit einigen Veränderungen, gedreht in Kooperation von Tschechischem Staatsfilm und DEFA (siehe: www.zeit.de).

Karel Ptáčník, selbst im Jahr 1921 geboren, später am „Prager Frühling“ beteiligt, beschreibt in diesem Roman aus eigener Erfahrung den Werdegang einer Gruppe tschechischer Zwangsarbeiter, die ab 1942 im Deutschen Reich eingesetzt werden. Sie untersteht direkt einem Wehrmachtskommando und wird vor allem zur Behebung von Bombenschäden eingesetzt, das heißt zum Abriss von Ruinen und zum Wiederaufbau von Gebäuden und Straßen. Die erste Station ist Baumholder in Rheinland-Pfalz, später werden sie ins Saarland, dann nach Essen, Kassel und schließlich nach Zeitz bei Leipzig verlegt. Es ist eine Gruppe von einigen hundert Tschechen, in der Regel alle geboren im Jahr 1921. Im Mittelpunkt stehen die Männer namens Honsik, Karel, Mirek, Pepousch und Kowanda, wobei letzterer älter ist als alle anderen, sein Alter wird mit Mitte 40 angegeben.
Um den Teil mit dem flapsig-spöttischen Zungenschlag anzubringen: es handelt sich – womöglich durch eine Glättung durch die Übersetzung? -  sicher um keine große Literatur. Die Gruppe der tschechischen Zwangsarbeiter durchlebt ähnlich wie in einem Karl May-Roman „Abenteuer“, eine Assoziation, die kurz vor Ende des Textes bestärkt wird, als auf einem Evakuierungsmarsch davon die Rede ist, „da traf ihn die Faust“. Gemeint ist in jenem Fall allerdings nicht die von Old Shatterhand, sondern die eines Tschechen, die einen Gefreiten der Wehrmacht trifft.
Die auftretenden „Kameraden“, wie sie sich selbst nennen, positionieren sich als landsmannschaftliche Einheit und bleiben in ihren internen Gesprächen klar gegen die Wehrmacht und das Nazi-Regime eingestellt. Sie nehmen ihre Lage im Ganzen eher locker, lassen sich zwar auf die Zwangsarbeit ein, nehmen sich aber so gut es geht ihre Freiheiten und überarbeiten sich allem Anschein nach nicht. Hierbei ist insbesondere immer Kowanda derjenige, der die jüngeren zur Gelassenheit und gepflegten Sabotage ermuntert. Diese Lässigkeit im Ton führt dazu, dass das Buch einen leicht humorvollen, fast schon harmlosen Unterton behält, und das, obwohl es vor dem ernsten Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus spielt. Und obwohl diese ernsten Erlebnisse auch immer wieder geschildert werden, sei es bei Luftangriffen, sei es bei Aufräumarbeiten. Einige der Kameraden werden verwundet, verbringen längere Zeit im Krankenhaus, einige sterben gar. Auch hat die Gruppe einen „Verräter“ zu beklagen, einen Kameraden, der vom Wehrmachtskommandanten zum Sprecher ernannt wird, und der sich zunehmend auf die Seite der Macht stellt. Dennoch bleibt die Truppe in ihren Unterhaltungen relativ locker – man fragt sich, ob das eben der tschechische Charakter ist, oder ob dieser Ton durch die Hoffnung darauf gespeist wurde, dass das Deutsche Reich nicht ewig besteht und die Zwangsarbeiter eines Tages freikommen. Soviel zu den irritierenden Punkten.
Dem Buch ist insbesondere zugute zu halten, dass es historische Tatsachen weitgehend korrekt wiedergibt und es keinerlei Anlass gibt, seinen grundlegenden Aussagen zu widersprechen. So nennt es gleich zu Anfang (S. 14/15) die besondere Stellung der Tschechen unter den Zwangsarbeitern, die mit der Situation der aus Polen und der Sowjetunion, die weitestgehend wie Sklavenarbeiter behandelt wurden, nicht zu vergleichen war. Später folgen bedauernde Einschätzungen von „Kameraden“ zu ukrainischen Zwangsarbeitern, die in einem Nachbarkommando arbeiten, und in einer Situation überbringt Honsik heimlich des Nachts Essensrationen an benachbarte serbische Zwangsarbeiter.
Auch die Visionen nach einer Niederlage des Deutschen Reiches werden differenziert dargestellt. Sicher ist Honsik, der mit zunehmendem Verlauf des Buches zur Hauptfigur aufgebaut wird, überzeugter Kommunist und entwirft das Ideal einer zukünftigen kommunistischen Gesellschaft, was bei einem tschechischen, von einem DDR-Verlag übersetzten Buch nicht verwundert. Allerdings werden von anderen „Kameraden“ auch pro-westliche, Kommunismus-kritische Positionen geäußert, das heißt, es ist keineswegs ein Buch, das übermäßig Propaganda betreiben würde. Der Ton gegenüber den Deutschen ist - eventuell geprägt durch den direkten Kontakt zu Menschen, die durch Bombenangriffe Leid erfahren haben – überraschend differenziert und verständigungsbereit. Inwieweit dabei Propaganda mit im Spiel war (Verständigung CSSR-DDR?), kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen.
„Jahrgang 21“ gewährt somit überwiegend glaubhafte Einblicke in das Leben von tschechischen Zwangsarbeitern zur NS-Zeit, die direkt der Wehrmacht unterstanden, und weist auf viele interessante Details hin. Interessierten am Schicksal von Tschechen, die Zwangsarbeit in der Privatwirtschaft (meist in Rüstungsbetrieben) leisten mussten, wird damit jedoch – das sollte dem Leser von Anfang an klar sein - nur am Rande geholfen.

Labels: ,

0 Comments:

Post a Comment

<< Home