Tuesday, January 31, 2017

Höchste Strafe

Neulich bin ich kurzentschlossen einen anderen Weg vom Volkspark Friedrichshain zum Supermarkt gelaufen, u.a., um meine neue Umgebung kennenzulernen. Die Büschingstraße entlang laufend, nach der weiter im Süden eine Tram-Haltestelle benannt ist, so dass es mich wunderte, dass sie bereits hier beginnt…  stieß ich verdutzt auf die „Höchste Straße“. Woher kommt nur dieser Name, in dieser Umgebung, die wie so viele Gegenden Berlins kein oder nur minimales Gefälle aufweist? Die, unterhalb des Volksparks gelegen, keineswegs besonders exponiert ist? Die „Höchste Straße“ liegt auch deutlich sichtbar unterhalb der Friedenstraße. Auf einer Website wurde sie - 1830 angelegt, 1870 so benannt - in Bezug gesetzt zur Barnimstraße, so dass ich mir heute die Lage der Barnimstraße näher ansehen wollte.
Das Viertel, in dem sich - abgegrenzt durch die Mollstraße im Süden und Südwesten, die Friedenstraße im Norden  und die in diesem Abschnitt wirklich lebensfeindliche Otto-Braun-Straße im Westen - Höchste Straße, Barnim-, Wein-, Büsching- und Georgenkirchstraße befinden, ist der westlichste Zipfel Friedrichshains. Weit entfernt von Frankfurter Tor, Warschauer Straße, Oberbaumbrücke, East-Side-Gallery, Simon-Dach-Straße, RAW-Gelände, Ostkreuz, Rigaer Straße und was sonst noch als „typisch Friedrichshain“ gelten könnte. Wenn überhaupt, hatte ich die Gegend bisher vom Volkspark, also der Friedenstraße aus wahrgenommen. Dort stehen, bis auf einen Zehngeschosser, nur traditionelle Mietskasernen, und ich hatte angenommen, die ganze Gegend bestünde aus dieser in Berlin häufigen (und längst begehrten) Altbau-Bebauung. Zumal wenige Meter weiter der für seine Altbauten bekannte Bezirk Prenzlauer Berg beginnt. Aber es ist vielmehr so, dass lediglich an jenem nördlichen Rand des Viertels diese Altbauten stehen, und sich hinter diesen ein komplettes DDR-Neubau-Viertel mit Plattenbauten befindet. Vor einigen Jahren hatte ich anlässlich einer Stolperstein-Verlegung über jüdisches Leben in Friedrichshain recherchiert; eine Ballung von jüdischen Haushalten hatte es - bis zum erzwungenen Exodus bzw. der Ermordung dieser Bewohner durch die Nazis - hier gegeben. Die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg werden für diese Gegend "besonders stark" genannt, darauf seien in den 1960er Jahren umfangreiche Abrisse gefolgt.
An einem Zugang von Norden aus erwartet einen gleich die „DDR-Speisegaststätte PILA“ in der Weinstraße, wobei „PILA“ offensichtlich die Abkürzung für „Pionierlager“ sein soll und sich das Lokal „und DDR-Museum“  angeblich schon seit 2006 hält. Ich finde ja skurile Orte interessant, aber nach kurzer Beschau von außen beschloss ich, dass ich mir das nicht von innen ansehen muss; in Erwartung von Enge und (unter-?) durchschnittlichem Essen. (Es lohnt sich, sich die Online-Bewertungen anzusehen, auch wenn diese im Ganzen deutlich positiver ausfallen als von mir erwartet). Auf dem Weg zur Barnimstraße kam ich durch den westlichen Teil der „Höchsten“ zur Georgenkirchstraße, wo mich das abgewrackt wirkende Schild des Restaurants „Bamboo's Hut“ anlächelte und ich kurz darauf  – unerwartet - auf einen Kaiser’s stieß. Das ist das Gute eines Plattenbau-Viertels, in dem viele Menschen leben: es gibt Einkaufsmöglichkeiten. Die Barnimstraße liegt – wie erwartet – natürlich nicht höher als die „Höchste“, wie es in einem Beitrag hieß. Entweder diese Information ist schlicht falsch, oder es hieß früher womöglich eine andere Straße Barnimstraße? Dagegen spricht jedoch, dass es in der heute existenten Barnimstraße eine Grünfläche gibt, an der auf das seit 1864 dort befindliche, 1974 geschleifte Frauengefängnis Barnimstraße hingewiesen wird. Auf einem Foto auf jener Website ist zu erahnen, dass die Gegend früher von Mietskasernen geprägt sein muss.
Da ein skuriler, wellenförmig angelegter, sicher einige hundert Meter langer, "Schlange" genannter Plattenbau die Gegend gegen Osten und Südosten komplett abschirmt, führte mich mein Weg über die Büschingstraße nach Norden zurück in Richtung Platz der Vereinten Nationen. Früher Leninplatz. Aber diesen packe ich jetzt nicht auch noch in diese Tour mit ein. Auf der leider noch nicht das Rätsel um die „Höchste Straße“ geklärt werden konnte…

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1 Comments:

Anonymous Anonymous said...

zu: Bunte Trümmer, Höchste Str. = Höchste Strafe

Hallo,

Vorab: Wenn es Dir bei uns nicht so gefällt, geh doch am Kollwitzplatz spazieren, sind nur
15 min. Fußweg. Kollwitzplatz echt authentisch Berlin Ha, ha!

Die "Höchste Str." war tatsächlich die höchste und letzte Straße vor der damaligen Akzisemauer. Die heutige Friedenstr. war deren Standort und existierte demnach noch nicht. Die Fläche von der Barnimstr. bis zur heutigen Friedenstr. wurde vor der Bebauung als Weinberg genutzt >>> "Lessmanscher Weinberg"

Für mich ist es übrigens nicht die Höchststrafe hier zu Wohnen und gegen die Vorkriegsbebauung ist das wirklich ein Fortschritt. Normalverdiener sind froh hier wohnen zu dürfen!

In einem hast Du recht, dies hier war eine Mietskasernen-Gegend mit unterirdischer Sozialstruktur wenn man von den Bürgerhäusern (Friedendstr.+Am Fridrichshain) einmal absieht. In diesen bürgerlichen Häusern mit Dienstboten-Aufgang und 4m Deckenhöhe wohnten meist die Fleischgroßhändler vom Schlachthof Landsberger Allee, Ärzte und Rechtsanwälte.

Der sogenannte Weberkiez jenseits der Mollstr., Richtung Straußberger Platz war noch um einiges schlimmer.

Zum Thema Stadt-und Straßengrundriss: Nachdem Krieg in dieser Gegend völlig verändert. Vergleiche mit dem sogenannten Straube-Plan. (steht auch im Internet, bei FIS-Broker oder so http://www.stadtentwicklung.berlin.de/geoinformation/fis-broker/)

Vor dem Krieg hat es hier in etwa ausgesehen wie im Wedding. Die Zerstörungsquote der Wohnbebauung lag etwa bei 80%. Was die großen Luftangriffe im Feb. 45 nicht besorgten ist dann den Erdkampfhandlungen bei Kriegsende zum Opfer gefallen. Auch wurde mit den Flak-Geschützen des Bunkers Friedrichshain auf die vorrückende Rote Armee geschossen. Die Russen haben sich mit pausenlosen Schlachtfliegerangriffen auf den Bunker revanchiert.

In den 60er Jahren wurde mit der Neubebauung nach ein regelrechter Bevölkerungsaustausch vorgenommen, man wollte in der Innenstadt "zuverlässige Genossen". Es verschwanden zu dieser Zeit (bis 1974) die letzten alten Häuser und der Frauenknast.

Diese Gegend zwischen Volkspark und Frankfurter Allee ist eine der Geschichtsträchtigsten Gegenden Berlins, aber leider auch eine der am schlechtesten (Fotografisch) dokumentierten Gegenden Berlins. Bsp. Kriminalfall Jühnemann, Erich Mielke's Fluchtroute nach den Polizisten-Morden am Bülowplatz führte ihn in eine RFB Kneipe in der Lichtenberger Str., schräg gegenüber von EDEKA am Platz der Vereinten Nationen.

Wenn Du Fotos suchst oder Dich für den Barnimkiez interessierst kann Dir bestimmt der Friedrichshainer Geschichtsverein Hans Kohlhase e. V. weiterhelfen.

Die geben einen Kalender heraus, "google"l" den mal, da gibt es ein Titelbild mit dem heute nicht mehr existierenden Büschingplatz, der war da wo heute Netto in der Mollstr. ist.

Also nicht sauer sein über meinen "vorab" aber eigene Meinung bilden ist immer besser als "Bild Dir deine Meinung" Zugegeben die Qualität dieser Gegend erschließt sich auch erst auf den 2ten Blick.

maik

12:29 PM  

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