Saturday, February 06, 2021

Obdachlos am Friedrich-Krause-Ufer

Am Friedrich-Krause-Ufer, an dem auch das Berliner Landesamt für Einwanderung liegt und wo 2016 Anis Amri den LKW gekapert hat, mit dem er schließlich den Anschlag auf dem Breitenbachplatz mit elf Toten und 55 Verletzten verübt hat, wohnt ein Mann auf dem Gehweg, unter einer Brücke, die vom Kohlekraftwerk zum Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal führt. Ich sehe ihn und wie er auf einer Camping-Liege wohnt, manchmal, wenn ich dort mit dem Fahrrad vorbeifahre. Und war mit ihm, der in etwa mein Alter hat, ins Gespräch gekommen, als ich ihm eine Matratze, die ich nicht mehr brauchte, angeboten hatte. Er hat diese dankbar, aber eindeutig mit dem Verweis auf Nässe abgelehnt. Seither haben wir noch mal miteinander geredet, als ich ihm angeboten habe, ich könne ihm mal was mitbringen, wenn ich einkaufen gehe. Auch das möchte er nicht. Er meinte, er sei gerade über die Weihnachtstage gut von Passantinnen und Passanten versorgt worden. So gut, dass er mir sogar Schokolade anbieten wollte. Dazu würde er regelmäßig vom Kältebus versorgt. Sie würden ihm auch immer wieder anbieten, ihn mitzunehmen in eine Wärmestube. Aber er wolle das nicht, er wolle lieber hier bleiben. Vor allem mit Verweis auf Diebstähle in den Unterkünften. Dazu habe ich den Eindruck, dass er seinen Platz dort nur selten verlässt und dass er ihn - und seine dort gelagerten Sachen - durch seine Anwesenheit womöglich verteidigen möchte. Pfandflaschen nehme er gern an. Es sei nun sein dritter Winter auf der Straße.
Ich bin froh, dass wir ins Gespräch gekommen sind. Er hat in erster Linie mein Mitgefühl, dort an der Straße zu leben. Auf einer klapprigen Liege, und das - auch wenn sein Platz halbwegs windgeschützt ist und wärmer wirkt als die sonstige Umgebung - in der Kälte. Zu hören, dass er andere Möglichkeiten hätte und in jedem Fall versorgt wird und auch zu hören, dass er zu wissen scheint, was er tut und dass er einen starken Charakter hat, hat mich ein Stück weit beruhigt. Dennoch bleibt es eine scheiß Situation, insbesondere in diesen Tagen, in denen es nachts zweistellige Minusgrade gibt und auch tagsüber nicht viel wärmer wird.

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