Sunday, October 22, 2017

Gnadenloser Boxi

Bereits Anfang September habe ich nach Jahren zum ersten Mal wieder auf dem Flohmarkt verkauft. Zusammen mit einem Freund, der den Flohmarkt am „Boxi“, Boxhagener Platz in Friedrichshain, empfohlen hatte, an den ich mich selbst gar nicht ran getraut hatte, weil ich dachte, dass an diesem insbesondere bei Touristen sehr beliebten Markt ohnehin nur professionelle Händler zum Zuge kommen würden. Aber weit gefehlt, die telefonische Anmeldung klappte bestens, und es wurde sogar extra nachgefragt, dass wir auch tatsächlich private Verkäufer seien. Auch die Tisch-Vergabe am Sonntag klappte bestens, und nicht angeblich wie früher, dass man knapp eine Stunde dumm in der Gegend herumstand. Hatten die Betreiber des Marktes vor ein paar Jahren einen eher schlechten Ruf, gibt es nun wohl eine neue Truppe, die ihn recht cool zu schmeißen scheint.
Die Umgebung des beliebten Platzes ist, was die Mieten angeht, längst kaum noch erschwinglich, der Platz selbst hat sich aber doch ein Stück seinen rohen Charme bewahrt. So standen auch an jenem Tag herrenlose Stühle im inneren Bereich herum – perfekt für jemand wie mich, der meinte, alle seine Klappstühle bei den letzten Umzügen stehen gelassen zu haben…
Auch kamen im Laufe des Tages einige Freundinnen und Freunde vorbei, denen ich Bescheid gesagt hatte. Und wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich mit meinem Kram mehr als die Standgebühr erlösen würde… hätte ich mich sicher gefreut.
Trotz dieser positiven Erlebnisse war das ganze rückblickend aber eine ernüchternde, sehr nachdenklich machende Veranstaltung. Ich habe „Kram“ verkauft: insbesondere Bücher und Kleidung. Dabei schon ausgewähltes, nicht  allerletztes Zeug, von dem ich sicher sein konnte, dass ich es wieder nach tragen würden müsste. Darunter Marken-Jeans sowie neuwertige bis ungelesene Bücher über Punk / NDW, Politik (u.a. DDR) und Fußball. Dazu einen Hand-Staubsauger, den ich vor einigen Monaten für 35 € gekauft hatte, und wenige CDs und DVDs.
Mein Kompagnon hingegen hatte sich – selbst Sammler - auf Schallplatten spezialisiert. Vorwiegend gebrauchte, teils günstige, teils mittel-, teils hochpreisige.
Bei mir wurden es abzgl. der halben Standgebühr rund 20 € an Gewinn. Dazu hatte ich ein paar Freundinnen und Freunde getroffen, ein paar interessante Leute kennengelernt oder zumindest am Stand gesehen. Das Wetter war auch okay gewesen, und wie gesagt, immerhin 20 € eingenommen, und dazu Ballast losgeworden. Aber es war eben sehr viel Lehrlauf zwischendrin, in jenen rund sechs Stunden, und auch wenn ich meinem Kompagnon natürlich den Gewinn gönnte, war es auf Dauer doch seltsam mit anzugucken, wie bei ihm ständig Leute was kauften – und bei mir eben nicht.  Sein Publikum war breit gefächert, von Freaks, die mehrmals kamen, bis hin zu Touris, die sich möglicherweise ein Mitbringsel aus Berlin sicherten. Rund 500 € waren es schließlich bei ihm. Der „Vinyl-Boom“, von dem die letzten Jahre die Rede ist, und den ich immer angezweifelt habe, er scheint zumindest was gebrauchte Schallplatten angeht, tatsächlich zu existieren. Es gibt offensichtlich noch eine relevante Masse an Leuten, die Schallplatten kaufen, zumindest auf Flohmärkten.
Bücher und Kleidung hingegen, die klassischen Flohmarkt-Schnäppchen, die ich so kannte, scheinen im Kurs radikal gesunken zu sein. Bei Büchern ist man wohl einerseits zu faul, sich durchzuwühlen. Und andererseits wohl durch Amazon, Booklooker usw., wo es gebrauchte Bücher – wenn man diese im Zeiten des e-books und digitaler Lesegeräte überhaupt noch kaufen will! - oft sehr günstig gibt, preislich total verdorben. Man nimmt nur dann was mit, wenn es etwas ist, nach dem man wirklich gesucht hat.
Der Markt ist gnadenlos. Aber ich muss gestehen, dass bei mir zuhause auch jetzt noch – nach dem vergangenen Umzug und nach diesem Flohmarkt-Tag - viel zu viel Kram herumsteht, den ich eigentlich nicht mehr brauche und bei dem die Chancen gut stehen, dass er vor dem nächsten Umzug entsorgt wird. Ich kaufe ja auch kaum noch (oder gar nicht mehr?) neue Bücher sowie DVDs, leihe sie mir vielmehr zuletzt verstärkt aus. Und Kleider? Kaufe ich eigentlich nur noch neu, oder im Gebraucht-Kaufhaus (nein, nicht Humana), wo die Dinge sortiert sind und ich sie vor dem Kauf anprobieren kann. Eigentlich verstehe ich „den Markt“ und seine Teilnehmer also sehr gut, auch bei mir lautet die Devise „weniger statt mehr“. Dass all die Massen, die vorbei geschlendert waren, aber so wenig von mir mitnehmen wollten, hat mich dennoch ernüchtert.
Es sollte einen Container geben, in den am Ende eines Flohmarktes die übrig gebliebenen Dinge abgelegt werden und wo sich bedürftige Menschen dann was für umsonst nehmen können. Den gibt es nicht, die Entsorgung der Reste will sich natürlich keiner ans Bein binden. So führte mein Weg zunächst zum Zuhause meines Kollegen, wo ich die restlichen Bücher ins Treppenhaus stellen konnte, und anschließend zum Alt-Kleider-Container, wovor sich ein paar Leute, möglicherweise aus Polen, über zumindest einige meiner übrig gebliebenen Kleider freuten.

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