Saturday, October 07, 2017

Rechtsruck

"Da schämt man sich seiner Herkunft!" Mit diesem Kommentar postete ein Freund, der aus dem Zittauer Gebirge (Görlitz und südlicher, Drei-Länder-Eck) stammt, die Ergebnisse aus seiner Heimatregion. 24 Wahlkreise, in keinem hat die AFD weniger als 40% erhalten. (Die Ergebnisse im einzelnen unten).
Ein Ergebnis, das mich bis heute platt zurücklässt. Ist in jener Region tatsächlich der Zug für die Demokratie abgefahren?
Einen Tag darauf ein Vortrag in der Stiftung Topografie des Terrors zur Parteigeschichte der NSDAP. Der Journalist Sven Felix Kellerhoff, Jahrgang 1971, stellt die nach Selbstauskunft erst zweite je erschienene deutsche komplette Parteigeschichte der Nazi-Partei vor und präsentiert dazu zehn Thesen. Er weißt darauf hin, dass er tags zuvor in der "Welt" einen Vergleich von AFD und NSDAP publiziert habe und nun täglich 50 bis 100 Hass-mails erhalte. Auf der Suche nach jenem Text im Internet, der leider nicht frei zugänglich ist, stoße ich auf "Prabels Blog", ein Blog eines AFD-Mitgliedes, der offenbar auch gelesen wird, jedenfalls hat der entsprechende Text, der sich mit Kellerhoff beschäftigt, bis heute neun zustimmende Kommentare erhalten. Der Text "Was die "Liberalen" und die NSDAP verbindet" ist eigentlich weniger eine Beschäftigung mit Kellerhoffs Thesen als mit der Rolle der Grünen, die offenbar das größte Feindbild für den Autor sind. Und auch für einzelne Kommentierende. Einer versteigt sich dazu, die Antifa die SA-Truppe der Grünen zu nennen.
Mir kommt gleich das Bild in den Sinn, wie um 2015 das Büro der Grünen in der Boxhagener Straße (Berlin-Friedrichshain) ganz offensichtlich von Autonomen, wohl wegen des mäandernden Kurs der grün-geführten Bezirksregierung mit Farbe und Steinen beschädigt wurde. Damals kam mir die SA-Assoziation, als ich dieses traurige, fast schon beängstigende Bild vor mir sah. Eine beschämende Art, sich politisch auszudrücken. Und absurd, diese Leute mit den Grünen in Verbindung zu bringen.  

Aber es gibt diese Blogs, und sobald es ums Thema Flüchtlinge geht, ist bei jeder Facebook-Seite jeder größeren Institution der Shit-storm nicht weit. Es gibt ein massives Problem mit dem Rechtsradikalismus im Land, und das sind nicht alles nur "Modernisierungsverlierer", die sich nun zunehmend zu Wort melden. Und es sind auch nicht nur Menschen in Ostdeutschland oder speziell in Sachsen, die sich so äußern. Es gibt in Ost und West Menschen, die sich daran stören, nicht-deutsch aussehende Menschen auf Straßen in Deutschland zu sehen. Ich vermisse die Ehrlichkeit, das klar auszusprechen und sich dem Problem offen zu stellen.

Das Problem wird uns leider auf absehbare Zeit immer wieder beschäftigen; der Wunsch, dass sich die AFD selbst zerlegt, ist fromm, aber erscheint mir als nicht realistisch. Eine Zeit lang dachte ich, man müsse auch mit jenen Leuten im Gespräch bleiben, die AFD gewählt haben oder sich in jenem Sinne öffentlich äußern. Um ihnen Alternativen, andere Denkweisen entgegenzustellen und den überzeugten Rechten nicht das Feld zu überlassen. Zu lang habe auch ich mich nur in Kreisen aufgehalten, die eh weitgehend die gleiche Meinung wie ich haben, und das pubertäre Spiel mitgemacht "Wer anders denkt, ist eh ein Depp". Das ist es nicht, davon bin ich längst überzeugt. Wie aber mit einer Masse umgehen, von der 40% und mehr die AFD gewählt haben?
"Weiter so", meint Angela Merkel, in Kauf nehmend, die Abgehängten (und natürlich haben auch die und nicht nur überzeugte Rassisten AFD gewählt) weiter safteln zu lassen. Das kann es auch nicht sein. Es müsste etwas passieren. Nur was? Klar, tausend und mehr kleine Schritte. In die richtige Richtung. Was ist die richtige Richtung? Unideologisch, pragmatisch. Denke ich, mittlerweile. Die Ochsentour. Mutig. Ermüdend. Aber vielleicht geht es inzwischen wirklich um alles.
Hier ein kleiner, utopischer, ans Herz gehender Multi-Kulti-Mutmacher: Antoine Villoutreix - Wie wunderschön


1. Dorfchemnitz (LK Mittelsachsen) - 47,4 % 2. Schönbach (LK Görlitz) - 46,9 %
3. Oppach (LK Görlitz) - 46,0 %
4. Dürrhennersdorf (LK Görlitz) - 45,1 %
5. Großschweidnitz (LK Görlitz) - 44,8 %
6. Lawalde (LK Görlitz) - 44,4 %
7. Neißeaue (LK Görlitz) - 44,2 %
8. Rathmansdorf (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 43,9 %
9. Dohma (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 43,5 %
10. Beiersdorf (LK Görlitz) - 42,6 %
11. Großdubrau (LK Bautzen) - 42,4 %
12. Neusalza-Spremberg (LK Görlitz) - 41,9 %
13. Gohrisch (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 41,9 %
14. Neschwitz (LK Bautzen) - 41,7 %
15. Bahretal (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 41,6 %
16. Oßling (LK Bautzen) - 41,2 %
17. Rechenberg-Bienenmühle (LK Mittelsachsen) - 41,0 %
18. Struppen (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 40,9 %
19. Königshain (LK Görlitz) - 40,6 %
20. Müglitztal (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 40,4 %
21. Großschirma (LK Mittelsachsen) - 40,2 %
22. Hartmannsdorf-Reichenau (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 40,1 %
23. Hohnstein (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 40,1 %
24. Stadt Wehlen (LK Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) - 40,1 %

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