Sunday, August 21, 2016

Kluft

Letzten Dienstag war es für mich erstmals seit Langem wieder ein weitgehend öder Tag auf Arbeit gewesen. Das lag daran, dass gleich drei sehr nette Kollegen gleichzeitig nicht da waren. Und auch wenn mich "Mr. Schaumparty" am nächsten Tag ganz schön geärgert hat, war es ohne ihn echt langweilig gewesen. Am Tag darauf fragte ich nicht ihn, sondern einen anderen, den ich vermisst hatte, wie denn sein freier Tag gewesen sei. Er murmelte was von "Ärger mit dem Jobcenter", und dass er versucht habe, das telefonisch zu klären, dass er aber auf sehr pampige Art nicht vorgelassen worden sei. Und sich nun schriftlich äußern solle. Ich bot ihm an, ihn bei der Formulierung zu unterstützen, wenn er das wolle. Am nächsten Tag hatte er wirklich die Unterlagen dabei, und diese stellten sich in vielerlei Hinsicht als absolut erschreckend für mich dar.
Der Brief, den er bekommen hatte, war nicht mehr nur vom Jobcenter, sondern bereits von der Staatsanwaltschaft. Es lief also schon ein Verfahren. Die zwei Wochen Frist, die sie ihm eingeräumt hatten, um sich zu äußern, waren auch bereits seit über einer Woche abgelaufen. Sein Antwort-Brief, den er begonnen hatte zu formulieren, war völlig unbeholfen geschrieben, das war grammatikalisch schlicht kein Deutsch und nicht nachvollziehbar. Das, obwohl er Muttersprachler ist. Es geht um eine vierstellige Summe, die er sicher nicht bezahlen könnte.
Was mich vielleicht am meisten schockiert hat, war, dass mir bewusst wurde, dass wenn ich ihn nicht zufällig danach gefragt, er wohl ohne jede Hilfe gewesen wäre. Er hätte sich keine Hilfe genommen, hätte niemanden gehabt, dem er sich anvertraut hätte und der ihm hätte helfen können. Mir diese Hilfe zu nehmen, ob im Freundeskreis oder eben auch bezahlt, wenn es sein muss, wäre für mich absolut selbstverständlich gewesen.
Schräg war auch zu sehen, wie er nach außen hin ungerührt seine Arbeit verrichtete. Ich gehe bei der Arbeit auch meinen Gedanken nach, aber ich war schon fassungslos darüber zu erkennen, was manche Leute an Belastungen mit sich herumschleppen, ohne dies anderen zu zeigen.
Wir verrichten die gleiche Arbeit und verstehen uns meist sehr gut. Aber auf einmal wurden Unterschiede deutlich, die ich niemals erwartet hätte.

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