Saturday, November 07, 2015

Razzia live 2015

Längst bin ich dazu übergegangen, nicht mehr jedes Konzert mitzunehmen. Eher herrscht die Parole "Klasse statt Masse" vor. Ich brauche mir auch nicht mehr Bands angucken, die ich eh schon mehrmals gesehen habe. In diesem Jahr gab es mindestens zwei Highlights, über die ich an dieser Stelle noch kein Wort verloren habe. Das waren zum einen The Damned im Wild at heart und zum anderen - mal was ganz anderes - die Beatsteaks in der Wuhlheide. Dazu gehört eigentlich auch noch das Boots-Konzert auf der Spree mit Razors und Outcasts Anfang September. Das waren alles einzigartige Konzerte, die mir bis heute tief intus geblieben sind. The Damned mit einem wahnsinnig guten, klaren, druckvollen um nicht zu sagen perfekten Sound, und das in so einem kleinen Laden wie dem Wild at heart. Beatsteaks, ein Stadion-Rock-Erlebnis, mein erstes "großes" Konzert seit den Toten Hosen 1994, würde ich mal sagen. Ich inmitten von lauter 20-jährigen; Open Air, bestes Wetter, toller Konzertort, an dem man je nach Lust und Laune hin und her wandern kann zwischen Innenraum und Tribüne, wo dann u.a. ganze Familien saßen oder standen. Beim Boots-Konzert waren es fast weniger die Bands an sich, sondern mehr so das Boot fahren, sich die Stadt vom Wasser aus angucken und dabei ordentlich beschallt zu werden.
Razzia gestern im SO 36 waren ein weiteres Highlight in der Sammlung der Konzerte dieses Jahres. Sie sind eigentlich eine Band der 80er und frühen 90er Jahre, die ab 1984 mit ihrem Album "Tag ohne Schatten" und fast mehr noch durch das zweite "Ausflug mit Franziska" (mit Orgel-Einsatz!) zu Klassikern, um nicht zu sagen Ikonen des Deutschpunk wurden. Ich bin relativ spät auf sie gestoßen, hatte zuvor - die in Stuttgart unvermeidlichen - Normahl kennengelernt, dann Slime, Daily Terror, Hass und ähnliche. Verglichen mit den Prolls von Normahl erschienen mir Razzia wie Schwäne, die mit ihrem feinen norddeutschen Akzent, den unpeinlichen Texten und der ausgefeilten, dabei aber immer druckvollen Musik begeisterten. 1999 sah ich sie erstmals, im legendären "Eimer" in Berlin-Mitte. Damals aber mit anderem Sänger, der originale war seinerzeit längst ausgestiegen. Ich erinnere mich nicht vollständig an dieses Konzert, aber ich meine, das Gefühl gehabt zu haben, dass es letztendlich nicht wirklich Razzia gewesen sei, eben, weil die markante Stimme fehlte.
2012 oder 2013 taten sich die Hamburger wieder zusammen, diesmal in Original-Besetzung, und spielten wieder Konzerte. Ich habe das Konzert in Berlin damals sausen lassen, weil ich dachte, das könne einfach nichts Gutes werden, und so wollte ich mir die Band nicht kaputt machen lassen. Es soll aber sehr gut gewesen sein, hatte ich von mehreren Seiten gehört. Und diesmal wollte ich mir sie dann nicht entgehen lassen. Das SO 36 war schließlich sogar ausverkauft, und Razzia spielten - anders als gedacht - schon als zweite Band. "Arsch im Sarge", "Als Haus wärst du ne Hütte", "Schatten über Geroldshofen" gehörten zu den ersten Liedern, und schnell wurde deutlich: ja, sie haben es noch voll drauf! Der markante, einzigartige Gesang klang wie auf Platte. Ebenso die tolle Lead-Gitarre, die auch nur bei Razzia so klingt, wie sie eben klingt. Und das ganze war druckvoll und mitreißend. "Kranke Geister, kranke Leiber", "Kaiserwetter" und "Nacht im Ghetto" wurden auch noch gespielt, neben einigen Songs von späteren LPs, die ich nicht so präsent hatte. Auf jeden Fall war es sehr sehr gut gewesen.
Im Anschluss spielten noch Fliehende Stürme aus Stuttgart, von denen ich zuvor nicht viel kannte. Das war eher punkiger Dark Wave. Ein Soundteppich, auf den man sich erst mal einlassen muss. Der mir dann durchaus gefiel, denn das hat schon eine gewisse eigene Magie - aber irgendwann war dann mein Interesse auch wieder geschwunden, denn letztendlich klingt vieles doch sehr gleichförmig. Da wurde mir nochmals die geniale Vielseitigkeit von Razzia bewusst, deren Songs auch etwas Düsteres haben, aber eben auch viele weitere Facetten. Fliehende Stürme haben aber durchaus viele Fans. Beim Rausgehen waren die Reihen zwar etwas lichter als bei Razzia, aber sie haben den Laden keinesfalls leer gespielt.

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2 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Ich war wegen der Stürme da, Razzia hatte ich damals kaum gehört, von daher erkannte ich nur einzelne Lieder. Chaos Z und Fliehende Stürme liefen aber im Jugendclub rauf und runter. Die Stürme hatte ich schon zigmal gesehen, oft in AJZs oder in kleinen Kellerclubs. Ich empfand sie schon mal als eintönig, diesmal jedoch als abwechslungreich und mitreißend.

2:22 AM  
Blogger Kongo-Otto said...

Na klar, das verstehe ich total. Wenn man die Lieder von FLIEHENDE STÜRME kennt, ist es sicher ein ganz anderer Eindruck als wenn man sie eben nicht kennt. Sie haben ihr Ding auch sehr gut und fesselnd runter gespielt, das auf jeden Fall!

6:09 AM  

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