Wednesday, March 22, 2017

„Schön, dass es dir gefallen hat!“

Samstag, 20.11 Uhr. Ich sehe, dass CURLEE WURLEE heute spielen, im „Schokoladen“. An jedem anderen Tag würde ich vor Freude aufheulen und es wäre überhaupt keine Frage, zum Konzert dieser tollen Band in diesem tollen Laden zu gehen. Aber heute? Nein, ausgeschlossen. Fühle mich traurig, ermattet, gebremst, wie gelähmt, als ob ich Blei in den Knochen hätte. Und da im Schokoladen immer um 22 Uhr Schluss sein muss, warte ich nur noch kurz, und die Gelegenheit ist eh vorbei.
Samstag, 20.51 Uhr. Da steht immer noch, dass CURLEE WURLEE heute spielen, im Schokoladen. So weit ist es nicht. Gerade mal 15 Minuten mit dem Fahrrad, und das auf der neu entdeckten Traum-Route durch die Ost-City auf der Linienstraße. Und wenn ich jetzt noch los gehe, könnte ich eventuell wirklich noch…
CURLEE WURLEE hatte ich irgendwann Mitte der 2000er im „Wild at heart“ gesehen. Im Anschluss an das Konzert habe ich mir Platten von ihnen gekauft, und ich erinnere mich, wie die Sängerin, die sie mir verkaufte, mir begeistert  zujubelte: „Schön, dass es dir gefallen hat!“. Das werde ich wohl immer mit dieser Band und diesen Platten verbinden. Danach habe ich CURLEE WURLEE aus den Augen verloren. Ich wusste gar nicht, dass es sie noch gibt. Ihren toll eingängigen Song „Black hair“ von der Picture-7“ habe ich öfters in der KVU gespielt, als ich da noch aufgelegt habe.
Also los jetzt. Das ist doch genau das Richtige. Und nicht, Trübsal zu blasen! Also rauf auf’s Pferd. Gleich an der Ecke am Spätkauf… das ist doch Michi von EROTIC DEVICES, und neben ihm steht Gers, den ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe! Was für eine Freude! Gers spricht nur Englisch; da ich mit einer Frau zusammen arbeite, die bisher auch fast nur Englisch spricht, bin ich das Sprechen in dieser Sprache gerade gewöhnt; ich merke, wie es flutscht, und das bringt weitere Punkte für die Bessere-Laune-Skala! Es stellt sich heraus, dass Erotic Devices, mit denen ich immerhin mal eine Platte gemacht habe, nun genau gegenüber meines neuen Heimes proben…
Aber der Schokoladen ruft, und ich komme original an, als CURLEE WURLEE gerade auf die Bühne gehen. Gerade noch Zeit, ein Radler zu holen, und dann geht es los. Es wird wiederum ein großartiger Auftritt. Garage-Punk mit Orgel, was dem ganzen einen 60’s-touch gibt, und das besondere Pfund ist natürlich die  Sängerin mit dem charmanten französischen Akzent. 45 Minuten, für die sich die Anreise gelohnt hat. Als Erinnerung hole ich mir noch ihre neue 7“; seit den Platten, die ich habe, sind verschiedene andere erschienen, aber die neueste genügt nun erstmal.  
Eigentlich bin ich im Wort, gleich nach dem Konzert nach Hause zu fahren, um auf einen Hund aufzupassen. Freunde nehmen mich aber noch mit zu einer Party von „Marbert“. Das ist sicher Marbert von BERTZ RACHE, denke ich mir. Ich selbst kenne ihn nicht persönlich, aber ich kenne sonst keinen, der so heißt, und das traditionelle home von Bertz Rache (die übrigens im Jahr 1993 eine 7“ bei Incognito Records veröffentlichten, u.a. mit dem Hit „Im Osten gibt’s kein Telefon“) ist doch hier um die Ecke. Natürlich ist es so, wie gedacht. Aber ich staune, denn alles bei Marbert ist wie im Ost-Berlin der 90er Jahre. Ein schrottiges, unsaniertes Haus. Fassade, Treppenhaus: alles rott,  provisorisch geflickt und liebevoll umgestaltet und angemalt. Die Tür zum Treppenhaus steht natürlich – ganz traditionell – für jederman offen. In den Wohnungen noch Kohleöfen. Selbst die Einrichtung der Wohnung ist noch ganz im 90er Jahre-Stil. U.a. ein geil-debiles "Winnetou und Old Shatterhand"-Gemälde vom Flohmarkt über der Couch. Ein schönes Erlebnis, die 90er Jahre konserviert wieder zu sehen. Und das im Jahre 2017 in Berlin-Mitte, das sonst doch so vollständig durch saniert wirkt!
Noch kurz ein paar Happen in der Küche genommen, und dann aber nach Hause zum Hund.
Ich habe derzeit zwei Leute um mich, die längere Zeit in England gelebt haben. Beide lachen, als ich ihnen von CURLEE WURLEE erzähle, und es stellt sich heraus, dass CURLY WURLY ein englischer Schoko-Riegel ist; die Verpackung ist wirklich zu hässlich, um sie hier abzubilden. Aber so hatte es eine besondere Verbindung, dass CURLEE WURLEE ausgerechnet im „Schokoladen“ gespielt haben…

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