Monday, March 06, 2017

Gerrit Meijer gestorben

Bereits vor zwei Wochen ist Gerrit Meijer im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Ich wollte über ihn bereits im Herbst letzten Jahres schreiben. Anlässlich von "40 Jahre Punk" hatte Radio Eins vom RBB einen Tag lang einen Themen-Tag über Punk gesendet; bestechend daran war, dass nicht nur den großen, bekannten Bands, die man so erwarten würde, Raum gegeben wurde, sondern dass auch Berliner Bands gespielt wurden und ihre Protagonisten zu Wort kamen. Unter anderem Gerrit Meijer, Gitarrist und Sänger von PVC, einer der ersten Punk-Bands aus Berlin, der sehr Bemerkenswertes von sich gab. Und zwar, dass Punk für ihn längst tot sei. Denn das, womit Punk immer kokettiert hätte, würde heute von viel radikaleren Menschen (v.a. Islamisten) tatsächlich in die Tat umgesetzt. Damit sei der Wunsch von Punk, immer noch einen drauf zu setzen, immer noch weiter zu provozieren, obsolet geworden und Punk an sein Ende gekommen. Diese Aussage hat mich in ihrer Klarsichtigkeit beeindruckt. Da war einer am Mikrofon, der sich auskannte, immer noch am Puls der Zeit und wach und scharf im Denken war.
PVC hatte bei Incognito Records 1997 eine Doppel-10" mit alten Aufnahmen veröffentlicht, 2007 noch eine Anthology mit Songs aus den Jahren 1977-2007. Als ich 2010 Incognito übernahm, lud er mich zu sich nach Moabit ein; die Straße, in der er wohnte, quere ich mittlerweile, wenn ich nach Charlottenburg fahre. Er hatte noch weitere alte Aufnahmen, und mein Eindruck war, ihm ging es insbesondere darum, soviel wie möglich zu veröffentlichen. Mangels Geld und da ich nicht vollständig von den Songs (es ging um PVC wie auch um welche seiner anderen Band WHITE RUSSIA) überzeugt war, kam damals nichts zustande.
Wir blieben in losem Kontakt; ab und an kamen Rechte-Anfragen bzgl. PVC an Incognito, die ich an ihn weiter leitete, und letzten Herbst, als sein Buch erschien, lud er mich zu einer Lesung ein, zu der ich schließlich nicht hinging.   
Nein, ich habe ihn - im Gegensatz zu vielen anderen aus der Berliner Punk-äh-Sekte, der er immer nah verbunden blieb, auch wenn er durch seine vielfältigen Aktivitäten bzgl. "Punk-Ur-Zeit" auch für die Medien, insbesondere in Berlin, ein Ansprechpartner geworden war - nicht wirklich gut gekannt. Er hat mich auf der Straße nicht erkannt. Ich bin ehrlich gesagt auch kein übermäßiger PVC-Fan, finde nur "Wall City Rock", "Berlin by night" und "Can't Escape" so richtig gut, viele andere Songs nur durchschnittlich. Wahr ist auch, dass Gerrit einige Jahre und bei wichtigen Aufnahmen (u.a. beim Einspielen der ersten LP) gar nicht bei PVC spielte. Und dass Nachrufe wie der in der Berliner Zeitung, er sei "der Sid Vicious Kreuzbergs" gewesen, in vielerlei Hinsicht totaler Humbug sind. Bei PVC-Auftritten in den 2000ern wirkte er für manchen Jung-Punk sicher total rätselhaft und deplaziert: mit seinem schlohweißen Haar auf der Bühne stehend. Aber er war bis zuletzt ein wacher, aufrechter, unpeinlicher, beeindruckender Typ. Der fehlen wird. Und dessen Buch ich mir nun - auch wenn die Geschichte der frühen Punk-Zeit für mich eigentlich durch ist - doch zulegen möchte.
Signieren geht leider nicht mehr.

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