Thursday, March 23, 2017

"Bambus" geschlossen

"Jesundet Neuet", hatte ich nachkonstruiert. Das muss der Spruch gewesen sein, mit dem ein weiterer Gast oder Kunde des Asia-Imbisses auf der anderen Seite der Grünberger Straße das Etablisment, besser gesagt: die kleine zugedampfte Bude zu Beginn des Jahres 2000 betrat. Ich hatte ihn zunächst überhaupt nicht verstanden.
Dieser Imbiss war in meinen ersten 1,5 Berlin-Jahren meine Haupt-Nahrungsquelle, weil ich damals gleich wenige Meter davon entfernt wohnte. Entweder China-Pfanne für 5.- DM oder zehn kleine Frühlingsrollen für - wenn ich mich recht erinnere - den gleichen Preis. Der Inhaber, wohl ein Vietnamese, kannte mich schnell, und wusste dann meist schon, was ich haben wollte. Irgendwann fragte ich ihn mal ein bisschen was, ob er wirklich jeden Tag von früh bis spät hier stehe und arbeite; ja, und so war es in der Tat.
Als ich den Kiez verlassen hatte, wurden meine Besuche seltener, aber rissen nie ganz ab. Zwischenzeitlich hatte er den Raum nebenan mit hinzu gemietet, und aus dem Imbiss war ein richtiges kleines Restaurant geworden. Das den Imbiss-Charakter aber nie abgelegt hat.
Von 2009 - 2016 wohnte ich wieder in der erweiterten Umgebung, und in jener Zeit holte ich mir wieder öfters mal ein "Pfännchen", das nur er so gut hinbekam. Er hatte mich nach meiner zeitweisen Abwesenheit auch gleich wieder erkannt. Als irgendwann ein kleines Kind in seinem Imbiss herumsprang, fragte ich ihn, ob das sein Enkel sei, und er bestätigte das strahlend. Viel mehr an Gespräch oder Kontakt ist in den Jahren nicht zustande gekommen. Musste aber auch nicht; ich freute mich an seinen Speisen, und er wohl, dass er in mir einen Stammkunden hatte. Auch seine Frau, die öfters mit dabei war, begrüßte mich immer besonders freundlich.
Für ein oder zwei Jahre hatte sich der Imbiss SKY-Empfang zugelegt, man konnte in ihm also exklusive Fußball-Spiele gucken, die es nur im Bezahl-Fernsehen zu sehen gab. Es dürfte ein absolutes Highlight in der Geschichte dieses Imbisses gewesen sein, was an einem Champions League-Abend mit deutscher Beteiligung in ihm los war. Die Räume, die sonst meist leer waren, waren zum Bersten gefüllt. Alle umliegenden Kneipen waren wohl überfüllt, nur in diesem Geheim-Tipp war - zunächst! - noch gut was frei gewesen. Alle erfreuten sich an Bierpreisen von knapp über einem Euro und die Möglichkeit zu Essen gab es auch dazu.
Im Februar 2017 fahre ich spontan wieder vorbei und will mir mal wieder eine Pfanne holen. Hinter dem Tresen stehen zwei junge Asiaten. Ich schaue mich um, nein, diesmal ist es keine Vertretung; irgendwann hatten einmalig junge Verwandte von ihm kurzzeitig den Betrieb, wohl als Urlaubs-Vertretung, übernommen. Diesmal waren es jedoch dauerhaft andere Betreiber, gekommen um zu bleiben. Beim Gehen sah ich draußen dann auch den Hinweis "neue Bewirtschaftung". Das war's. Das Ende einer Ära auch für mich.
Von Beginn meiner Berlin-Zeit an, rund 17,5 Jahre lang war der "Bambus" eine angenehme und zuverlässige Anlaufstelle für mich gewesen. Ich danke seinem Betreiber unbekannten Namens für alles und wünsche ihm, dass er nun hoffentlich seine wohlverdiente Rente genießen kann.

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