Saturday, April 05, 2014

Kein Zutritt für Hinterwäldler! Die Geschichte der Butch Meier Band

 Dieses Buch hätte auch anders geschrieben werden können. Und nachdem, wie ich die BUTCH MEIER BAND kennen gelernt habe, deren Schlagzeuger Jonnie Schulz dieses Buch verfasst hat, hätte ich auch erwartet, dass es anders geschrieben werden würde. Die BUTCH MEIER BAND ist immer stur in ihrer Rolle geblieben, also ein Stück „cool“, ein Stück „unnahbar“ – dieser „Roman“, wie er sich selbst nennt, über die Geschichte dieser Band ist hingegen recht persönlich gehalten. Sicher mit den restlichen Band-Mitgliedern abgestimmt, rekapituliert Jonnie Schulz die Ereignisse aus seiner Sicht.
Das Buch ist unterteilt in zwei Haupt-Abschnitte: „Country und Western“ und „Fleisch“. Selbst aus der Hamburger Punk-HC-Szene stammend, waren die vier Band-Mitglieder Butch Meier, Ted Memphis, Digger Barnes und Jonnie im Jahr 2000 gelangweilt vom immer gleichen Punk-Ding und wollten etwas Neues ausprobieren. Das Ziel war Country-Musik, vor allem auf den Sänger zugeschnitten; und das alles nicht ganz ernsthaft gemeint, schließlich wurden musikalisch vor allem Cover-Songs gespielt, Pop- und Rock-Songs, gespielt im Country-Stil. Der erste Teil beschreibt die ersten Geh-Versuche und Konzerte der Band. Als sehr prägend dargestellt werden das erste Konzert in einer Hamburger Vorstadtkneipe namens Rattlesnake sowie die Berliner Konzerte in der Kadterschmiede (deren Crew als reichlich Ironie-frei beschrieben wird, und man fragt sich, wie es das Konzert-Plenum dieses Hauses überhaupt zuließ, diese Band auftreten zu lassen!) sowie in der Eckkneipe Eisbeineck (ebenfalls Friedrichshain: Proskauer, Ecke Eldenaer Straße) – diese Bandbreite an Auftrittsorten spricht sicher für sich… Es ist schon großartig, wie Jonnie Schulz die erlebten Absurditäten auf den Punkt bringend ausdrücken kann. Der Roman ist sicher keine große Literatur, die Ereignisse werden einfach runter erzählt, aber wie das geschieht, ist leicht und meistens sehr lustig zu lesen. Nach einer schlauchenden, aber durchaus erfolgreichen Mini-Tour durch Polen folgt ein Konzert an der Nordseeeküste, nach dem sich die Band im Streit für ein Jahr auflöst.
Der zweite Teil ist schlicht mit „Fleisch“ überschrieben, und wer die Band in jener zweiten Phase live erlebt hat, weiß sofort, warum… ;-) Butch Meier, Ted Memphis und Digger Barnes hatten wieder Lust auf die BUTCH MEIER BAND, und Jonnie Schulz ließ sich schließlich auch dazu überreden, nachdem festgelegt worden war, dass man es noch mal mit einem neuen Konzept versuchen wolle. Gemeinsam besuchten sie ein Konzert der Heavy-Metal-Band GWAR und begeisterten sich an der Sauerei, die diese mit Theaterblut veranstalteten. In der Folge arbeiteten BUTCH MEIER fieberhaft an ihrer Fleisch- und Senf-Performance, incl. Döner-Bass, Fleischbuden-Schlagzeug-Schrank und Griller, und die gefolgten Konzerte wurden schließlich zu vollen Erfolgen. Ich erinnere mich an das Konzert im damaligen KATO zu Berlin, und es war einfach großartig! Diese ganzen bekloppten Wurst- und Fleisch-Texte, gesungen auf gängige Pop- und Rock-Melodien der 80er Jahre („I’m your private Wiener – sausage for money…“). Perfekt auch die Performance, mit dem absoluten Höhepunkt der durch den Raum fliegenden Wurst, gefolgt von der Senf-Kanone, die alles und jeden voller Senf kübelte.  
Das KATO-Konzert anlässlich des Todestags von Jonny Cash wurde aber laut Jonnie Schulz wiederum zu einem Wendepunkt für die Bandgeschichte. Von nun an folgten verschiedene Tiefschläge für die Band. So wurde in Leipzig Butchs Bühnenhemd gestohlen. Reihenweise fielen die „Grillmeister“ der Show aus. Die geplante zweite Single "Frank, the flying sausage" wurde seitens des Presswerks sabotiert, das heißt, es wurde willkürlich ein Song verändert. Tourbusse der Band verreckten der Reihe nach. Und schließlich, das war sicher besonders virulent, wurde die Band in Leipzig von militanten Veganern mit Flaschen angegriffen, die im Auftreten der Band (bestehend aus nur einem Fleisch-Esser, der Rest selbst Vegetarier oder gar Veganer) keine Satire entdecken konnten.
Vor allem letzteres ging sehr nahe, und zum Konzert nach dem Rostock-Auftritt änderte die Band sehr kurzfristig ihr Show-Programm. Der Veranstalter in Flensburg – das ganze sollte im Rahmen einer „Nacht der Kulturen“ laufen, unter Anwesenheit des Bürgermeisters – hatte die Band gebeten, den Senf weg zu lassen. Wobei man sich schon fragt, warum man eine Band einlädt, und sie bittet, ihre zentralen Show-Effekte weg zu lassen! BUTCH MEIER änderten unter dieser Vorgabe und aufgrund der Erlebnisse der Wochen zuvor jedenfalls radikal das ganze Programm. Statt Country mit Senf gab es Techno mit Muskel-Gepose. Was wiederum den Veranstalter frustrierte, und sicher auch extra angereiste Fans. Das Ende der Band war im Jahr 2008 gekommen.
Das abschließende Kapitel wagt einen Blick ins Jahr 2045, und das ist wohl das einzig fiktive in diesem „Roman“. Sehr passend erscheint dabei die Tätigkeit, die Sänger Butch Meier zugedacht wird…
Insgesamt ein Buch, das es hervorragend vermag, eigene Erinnerungen an die BUTCH MEIER BAND wach zu rufen, und das interessante Hintergründe zur Band-Geschichte liefert. Besonders wertvoll dabei auch die „Galerie“ in der Mitte des Buches, die auf 15 Seiten Fotos und Abbildungen dokumentiert. Für Fans der Band also rumdum lohnenswert, und nur für diese ist es sicher auch geschrieben worden.
(Jonnie Schulz: Kein Zutritt für Hinterwäldler. Die Geschichte der Butch Meier Band.
Ventil Verlag, 2013. 294 Seiten, 17,90 €)

Auf der Suche nach BUTCH MEIER-Mitschnitten bei Youtube, die es leider fast nicht gibt, fand ich eine Zusammenstellung von Songs aus dem  Hafenklang in Hamburg im Jahr 2013; anlässlich einer Lesung zu diesem Buch trat die BUTCH MEIER BAND dort offenbar noch einmal auf…
(Fotonachweis: Verlag (Buch-Cover), 2 x Oehm Anne Müre aus dem Jahr 2006)


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