Distanz
Eigentlich komme ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen sehr gut klar und fühle mich dort - bezogen auf die Kollegen - durchaus wohl. Allerdings verbringe ich meine große Pause immer gern alleine, um auf andere Gedanken zu kommen. Und auch auf den An- und Abfahrten zur Arbeit bin ich am liebsten für mich.
Manchmal fuhr ich mit einem spanischen Kollegen ein Stück weit. Er ist ein netter Typ, hat Philosophie studiert und verbringt wohl seine Freizeit auch öfters mal bei Punk-Konzerten und in Haus-Projekten. Dennoch, nach acht Stunden Arbeit hab ich erstmal gern meine Ruhe. Zumal er eher gebrochen Deutsch spricht und ich dann manchmal Schwierigkeiten habe, ihm zu folgen. Das ist nicht ganz fair, das weiß ich, aber ich bin dann erstmal alle. Bei ihm hab ich aber kein schlechtes Gewissen, mich auch mal zurück zu ziehen. Denn ich habe den Eindruck, dass er etwas in seiner eigenen Welt lebt und auch öfters gern ungestört ist.
Anders ein anderer Kollege, ein Trans-Gender-Typ, der damit auch sehr offen umgeht und im Ganzen ein netter Typ ist. Wenn ich mit ihm fahre, geht es meist jedoch ausschließlich um Arbeits-Themen. Und das will ich schlicht nicht. Wenn Feierabend ist, ist gut, und dann will ich mich auch nicht weiter mit der Arbeit beschäftigen. Spekulieren, was die neue Lagerhalle bringen wird. Oder ob es tatsächlich Änderung in den Arbeitszeiten geben wird. Oder über diesen und jenen Kollegen reden. Gestern wurde mir bewusst: ihm fehlt die Distanz zu dieser Arbeit. Er scheint glücklich zu sein, sie bekommen zu haben. Er ist auch gut ins Kollegium integriert und ich bin mir sicher, dass ihn auch das sehr freut. Ich will jedoch nicht auch noch meine wenige Freizeit mit Gedanken über diesen Laden verbringen.
Zumal ich mir neulich mal sowas wie einen Gesamtkatalog des Angebots angesehen habe, der mich doch sehr befremdet hat. Und neulich wurde ein Rollbehälter mit Gratis-Büchern zum Mitnehmen angeboten, und ich habe mir - neben diversen Büchern über die DDR und die Sowjetunion - eines über den Aufstieg und Niedergang von Anton Schlecker mitgenommen und gestern angelesen. Was dort über die Werte eines Unternehmens geschrieben steht, lässt auch neu über meinen aktuellen Arbeitgeber nachdenken. Eigentlich ist das nämlich ein sehr undurchsichtiges Konstrukt, das ich noch immer nicht ganz verstanden habe. Zu beidem - dem Buch wie dem "Konstrukt" - ein ander Mal mehr.
Labels: Wir lieben Mindestlöhne
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