Tuesday, March 29, 2016

Ein Leben für den Versandhandel

Inzwischen läuft schon die dritte Woche der Tätigkeit bei einem Versand-Dienstleistungsunternehmen. Nachdem es mit dem Punk-Versand endgültig nicht zum Leben reicht, hatte ich mich dort beworben, und bin nach einmal zur Probe arbeiten auch genommen worden. 
Über das Probe arbeiten gibt es sicher verschiedene Meinungen. Ich neige eher dazu, es gut zu finden. Bei einer anderen Bewerbung vor ein paar Jahren hätte mir ein Probe arbeiten die Entscheidung sicher erleichtert, ob ich es wirklich machen soll. So hatte ich damals "vorsichthalber" abgesagt - eine Entscheidung, die ich wenig später bereut hatte. Und nachdem ich nun eingestellt worden bin, bekomme ich das auch bezahlt.
Also Versandhandel. Aber auch wenn ich mich in meiner Bewerbung sehr darauf bezogen habe, wurde schnell deutlich, dass die Tätigkeit in der Firma dort mit meinem bisherigen eigenen Versandhandel nicht viel zu tun hat. Zum einen ist es eine völlig andere Dimension, wenn pro Tag mehrere tausend Sendungen das Haus verlassen. Dazu sind es vor allem CDs, DVDs und Bücher, in aller Regel auch noch eingeschweißt in Folie, die dort versendet werden. Diese brauchen keine solch aufwändige und pflegliche Verpackung wie Vinyl-Schallplatten, die nunmal zerbrechlich sind. Masse und Schnelligkeit ist gefragt - nicht Gründlichkeit. Auch "thematisch" ist es etwas völlig anderes. Ich war doch ganz schön geschockt, als ich sehen musste, dass dort vor allem Schlager und Volksmusik versandt wird! Aber das ist natürlich auch eine "schöne" Pointe - wenn der Schlagerversand den Punkversand saniert... ;-)
Wobei es ab und zu auch echte Highlights zu entdecken gibt. U.a. diese abgebildete Stil-echte DVD-Box zur Serie "Die drei Damen vom Grill". Sowas würde ich mir ja fast schon selbst kaufen, allein wegen der Aufmachung.
Ansonsten regieren neben Schlager- und Volksmusik-Tonträgern und DVDs (und Accessoires!) Bücher rund um das Thema DDR. Das ist schon eine krude Mischung. Da werden West-, d.h. Kapitalismus-kritische Bücher genauso zur Ware im Kapitalismus wie die oftmals einfach nur scheußlichen und verlogen bebilderten Volksmusik-Titel. Das skurillste, was ich an DDR-Zeug bisher entdeckt habe, dürfte ein nachgedrucktes Set von DDR-Briefmarken gewesen sein, Thema "bewaffnete Organe"...
Und ich mittendrin. Aber ich mache es mit, weil ich endlich den schnellen Taler brauche. Und ich habe mir vorgenommen, es durchzuziehen, und mir auch nicht von Schicht-Arbeit den Mut nehmen zu lassen. "Take it as an adventure", sagte eine frühere Mitbewohnerin von mir, yes, das tue ich, und nicht nur als Abenteuer, sondern auch als Herausforderung. Um 4 Uhr aufzustehen... das ist für mich neu, aber ich will das hinkriegen...
Tolle Kollegen habe ich, sehr international, dabei überraschend viele mit spanischem Hintergrund. Nicht alle können Deutsch, aber dann verständigt man sich eben auf Englisch, oder versucht es mit ein paar Brocken Italienisch. Wie heißt es so schön: wer Spanisch kann, ist klar im Vorteil... Es herrscht auf jeden Fall ein angenehmes Betriebsklima. Ich vergleiche es gern mit meiner Tätigkeit bei der Post Mitte der 90er, nicht nur, weil auch wir viel mit gelben Postkisten zu tun haben. Und es ist keine Vollverarschung wie seinerzeit bei Edeka. Es wird schon Wert darauf gelegt, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl fühlen. Wasser und Kaffee gibt's umsonst, und vor Ostern bekam jeder auch noch einen Schoko-Osterhasen. Kleine nette Gesten, die gut tun! Und sozialversicherungspflichtig ist das ganze natürlich auch, sonst hätte ich es nicht angenommen. Ich freue mich darauf, nicht jeden Monat von meinen Einkünften auch noch die Krankenkasse selbst bezahlen zu müssen. In diesem Sinne: vorwärts immer, rückwärts nimmer! Und dass ich weiter hungrig auf etwas Besseres / Angemesseneres bleibe, ist auch klar.

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