Tuesday, September 18, 2018

Die Revolution von 1918/19 in Königsberg

Über die Revolution 1918/19 wird demnächst an dieser Stelle mehr zu lesen sein. Die Ereignisse jähren sich zum 100. Mal, und es wird interessant sein zu beobachten, ob sich die gängige Forschungsthese, dass diese Revolution weitgehend vergessen ist, auch zu den 100. Jahrestagen bestätigt.
An dieser Stelle jedoch ein kleiner Bericht über die Revolution in Königsberg, angeregt durch einen Zufallsfund im Archiv. Bei Arbeiten am Bestand fiel mir auf, dass vier ostpreußische Folianten am Stück ein durchgehendes Einschussloch tragen.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich, dass einige dieser vier eine mit Bleistift geschriebene Notiz tragen:
"Erinnerung an den 3. März 1919. Revolution. Die Gewehrkugel befindet sich im Aktenstück 2376."
Der Foliant mit der Nummer 2376 fehlt leider, ebenso ist die Gewehrkugel nicht erhalten. Von einst rund 16.000 Folianten haben nur - aber immerhin - rund 13.000 davon die diversen Verlagerungen des Bestandes von Königsberg (heute Kaliningrad) nach Göttingen und ab 1978 nach West-Berlin überstanden.
Viel interessanter aber, was denn nun am 3. März 1919 in Königsberg passierte. Bereits eine kurze Recherche ließ eintauchen in die Revolution 1918/19 in Königsberg, sonst kein Schauplatz, der in Forschungsberichten Aufmerksamkeit genießt oder überhaupt nur genannt wird. Aber auch im einst wegen seiner politischen Rückständigkeit (Stichworte: "Ostelbien", "Junker",...) berüchtigten Ostpreußen gab es im November 1918 revolutionäre Ereignisse und einen Arbeiter- und Soldatenrat. Und seit 1914 mit Adolf von Batocki einen konservativen Großgrundbesitzer als Oberpräsidenten. Der wiederum vom Arbeiter- und Soldatenrat auch nach der Revolution zum Weitermachen animiert wird. Bis Anfang 1919 beherrscht jedoch die Revolutions-treue Volksmarinedivision, ein Ableger der auch in Berlin einflussreichen Volksmarinedivision, die Stadt Königsberg militärisch. In jener Zeit führt von Batocki August Winnig von der (M)SPD als seinen Nachfolger ein, dem als rechtem Sozialdemokrat ganz im Sinne der "Ermattungsstrategie" (Zitat nach Dieter Hertz-Eichenrode) der Reaktion zugetraut wird, die gemäßigten Arbeiter bei der Stange und die revolutionären Arbeiter in Schach halten zu können. Am 25.1.1919 wird Winnig Oberpräsident, bisher hatte ein eher im Sinne der USPD tätige "Siebenerrat" die Politik bestimmt. v. Batocki, Winnig und neugegründete Freiwilligenverbände des traditionellen Militärs entwaffnen jedoch am 3. März 1919 die Volksmarinedivision, es sterben an jenem Tag 25 Menschen in Königsberg. An welchen Stellen genau, und warum die sicher im Archiv der Stadt gelagerten Folianten in Mitleidenschaft gezogen wurden, ließ sich von mir bis zum Moment nicht in Erfahrung bringen.   
Von diesem Tag an wurde Königsberg, das einige Monate lang eher links regiert worden war, zur "konterrevolutionären Hochburg" (Zitat nach Bernhard Wien) ausgebaut. Ganz ähnlich wie es auch München erging, das nach der von der Reichsregierung eingeleiteten gewaltsamen Beendigung der Räterepublik durch Freikorps im Mai 1919 zum Sammelbecken für Reaktionäre und Rechtsradikale jeder Couleur wurde.
Wobei Ostpreußen durch die Abtrennung vom Reich durch die Errichtung des "Polnischen Korridors" in Folge des Versailler Vertrages zum nationalen Symbol gemacht wurde. Und in der grassierenden Furcht vor dem "Bolschewismus" die räumliche Nähe zu Russland und später der Sowjetunion eine besondere Rolle spielte.
August Winnig musste im Zusammenhang mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 wegen allzu guter Beziehungen zu den reaktionären Putschisten, die seiner Partei schon länger missfielen, als Oberpräsident zurücktreten.

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