Freitag (1): Aufbruch bei Frühtau
Ich bin schon ein richtiger Bergler oder Hüttener geworden.
Um 6 Uhr stehe ich auf, suche meine am Abend zuvor schon bereit gelegten Sachen
zusammen, trinke – auch auf dieser Hütte auf das Frühstück verzichtend – meinen
morgendlichen Tee und kurz nach 7 Uhr bin ich auf der Piste. Ich hatte schon
befürchtet, dass womöglich auch andere um diese markante Zeit aufbrechen
würden. Aber die wahren Cracks sind wohl schon früher losgegangen. Oder eben in
die andere Richtung. Für mich geht es zurück Richtung Tal, während die meisten anderen
ja weiter in die Höhe wollen, zumeist in Richtung Klettersteig oder Mindelheimer Hütte. Es
ist ein Morgen, wie ich mir ihn fast nicht besser vorstellen kann. Die Sonne
hat sich gerade frisch über die Berggipfel erhoben, es ist noch leicht frisch,
die Pflanzen tragen etwas Tau. Eine wahnsinns tolle Luft für die Nase,
frisch-leuchtende Farben für die Augen. Und ich hab das alles für mich alleine,
niemand ist vor mir, niemand folgt mir. Und das sollte auch eine ganze Weile so
bleiben. Absolut brilliant.
Kurzentschlossen nehme ich nicht die Strecke zur Mittelstation der
Fellhornbahn, für die ich noch eine verbilligte Rückfahrt frei habe, sondern
entscheide mich dafür, den ganzen Weg ins Tal zu laufen. Das verspricht einen
mir bisher unbekannten Weg, außerdem sieht das Tal sehr schön aus, wie es so
vor mir liegt, und von der linken Seite klingt es danach, als ob ein
ordentlicher Bach zu Tale bricht. Kurz vor Erreichen des (Hoch-) Tals,
inzwischen dürfte es etwa 9 Uhr geworden sein, kommen mir die ersten Wanderer
entgegen. Der Bach, der sich so höllisch tosend angehört hatte, stellt sich
eher als mittleres Rinnsal heraus, dennoch nehme ich sein Kreuzen zum Anlass
für eine erste Pause des jungen Tages, und nach der Rast auf der Tagdiebshöhe
am Dienstag, dem Aufenthalt an der Stillach am Mittwoch sowie auf halber Höhe
der Walser Hammerspitze am Donnerstag wird es einer der besonders schönen Momente der Reise!
Es dauert nochmal etwa eineinhalb Stunden, ehe ich an der Talstation der
Fellhornbahn angekommen bin, wo es dann in den halbstündig fahrenden Bus nach
Oberstdorf geht. Und von dort aus mit dem Zug mit Umstieg in Kaufbeuren nach
Füssen. Meine ganze Reise ist etwas unkonventionell zusammengestellt; zunächst
ist es auf den Hütten sehr unüblich, zwei oder noch mehr Nächte zu bleiben.
Dazu betreibe ich mit meinen drei Standorten in sieben Tagen ein regelrechtes
Allgäu-Hopping. Dass die heutige Distanz eine beträchtliche ist, zeigt mir
nicht nur die Fahrzeit von rund drei Stunden, sondern auch der Fahrpreis von
knapp 25 € mit Bahncard 25.
Der Aufenthalt in Oberstdorf war sehr kurz; vom heute
angenehm leeren Bus geht es gleich zum Bahnhof, kurz in eine Bäckerei, und dann
in den Zug. Schon im Zug fühle ich mich nach gerade einmal ein paar Tagen in
den Bergen wie ein Gast in der Zivilisation. Das verstärkt sich noch in Füssen,
wo die irritierenden Eindrücke von außen wie an mir abprallen, nicht wirklich
zu mir vorzudringen vermögen. Und das, obwohl ich mich dazu entscheide, bei nur
vermeintlicher Ortskenntnis in Richtung meiner heutigen, der Fritz-Putz-Hütte
zu laufen. Statt mich in den Linienbus in Richtung Königsschlösser zu stopfen.
Ich finde leider keinen Wanderweg, der mich aus Füssen herausführt, so muss ich weite
Teile der Strecke an einer viel befahrenen Ausfallstraße entlang laufen.
Sagenhaft… Der Vorteil ist jedoch, dass ich am schönen Schwanensee vorbeikomme,
ein Moorsee, wie ich später erfahre, angenehm warm, und selbstverständlich
mache ich dort Station. Einige hundert Meter weiter bin ich an der Station, wo
die Linien- und Touristenbusse ankommen, finde zum Glück schnell den Pfad, der
mich in Richtung der gewünschten Hütte bringen dürfte. Unten gibt es einen
entsprechenden Pfeil, an einer wenig später folgenden Kreuzung bin ich mir aber
nicht mehr sicher, ob ich richtig bin. Mir kommt ein Typ entgegen, der mir eher
abgerissen auszusehen scheint, und mehr aus einem seltsamen Mit- oder Mitleidsgefühl
spreche ich ihn an und frage nach dem Weg. Er stellt sich als sehr nett heraus,
ein möglicherweise aus dem Osten kommender Musiker, der an einem der
Königsschlösser – Hohenschwangau oder Neuschwanstein – in einer Kapelle oder einem Orchester
spielt, mir einen Weg abseits der Touristenströme empfiehlt, und darüber hinaus
geeignete Stellen am nahen Alpsee. Möglicherweise war auch einfach nur meine
Wahrnehmung getrübt und ich habe ihn wegen der Lederhose, die er trug, für „abgerissen“
gehalten.
Ich laufe weiter bergauf bis zur „Jugend“, wo die letzten Busse enden, die zu den Schlössern führen. Von dort aus stehen mir laut Hüttenführer drei mögliche Wege zur Fritz-Putz-Hütte frei. Ich entscheide mich für den "Wasserleitungsweg", der nicht an einer Fahrstraße entlang führt; einen, den auch die Hütte selbst empfiehlt. Dieser stellt sich jedoch als absolut öde heraus. Es ist ein breiter Waldweg, der auch von PKW befahren werden kann. Nach einem ersten steileren Anstieg geht es weitgehend eben voran, ein Waldweg, wie Waldwege eben so sind. Für die man aber wirklich nicht in die Alpen fahren muss. Interessant an diesem Stück ist jedoch, dass diese Ebene, dieses Hängetal deswegen entstanden ist, weil das tiefer liegende Tal durch den Lech-Gletscher verstopft war und der kleinere Gletscher dieses Tales deswegen nicht weiter vordringen konnte.
Am nächsten Tag sollte ich dann sehen, dass der Weg entlang des Fahrweges, der ohnehin kaum befahren ist (und ein skuriles Verkehrsschild mit der Aufschrift: „Radsportfreund, fahr langsam, dann lebst du länger!“ bietet), entlang des Gebirgsflusses Pöllat führt. Das wäre die interessantere und spektakulärere Wahl gewesen.
Ich laufe weiter bergauf bis zur „Jugend“, wo die letzten Busse enden, die zu den Schlössern führen. Von dort aus stehen mir laut Hüttenführer drei mögliche Wege zur Fritz-Putz-Hütte frei. Ich entscheide mich für den "Wasserleitungsweg", der nicht an einer Fahrstraße entlang führt; einen, den auch die Hütte selbst empfiehlt. Dieser stellt sich jedoch als absolut öde heraus. Es ist ein breiter Waldweg, der auch von PKW befahren werden kann. Nach einem ersten steileren Anstieg geht es weitgehend eben voran, ein Waldweg, wie Waldwege eben so sind. Für die man aber wirklich nicht in die Alpen fahren muss. Interessant an diesem Stück ist jedoch, dass diese Ebene, dieses Hängetal deswegen entstanden ist, weil das tiefer liegende Tal durch den Lech-Gletscher verstopft war und der kleinere Gletscher dieses Tales deswegen nicht weiter vordringen konnte.
Am nächsten Tag sollte ich dann sehen, dass der Weg entlang des Fahrweges, der ohnehin kaum befahren ist (und ein skuriles Verkehrsschild mit der Aufschrift: „Radsportfreund, fahr langsam, dann lebst du länger!“ bietet), entlang des Gebirgsflusses Pöllat führt. Das wäre die interessantere und spektakulärere Wahl gewesen.
Labels: Allgäu, Auf Reisen
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